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Inhalt 06/03

Im Thronsaal des Kastells
gepostet am 02.06.2003
   
Don-Esteban

tille herrschte im Thronsaal. Wie immer. Hier kam so gut wie nie jemand her. Wenn die Dämonen nicht überall für Ordnung sorgen würden, wäre schon alles unter ellenhohen Staubschichten versunken. Doch die fünfschiffige Halle mit ihren dicken, wuchtigen Säulen, die himmelwärts strebten, als wollten sie Innos' Sitz erreichen und Beliar so den Zugang ermöglichen, lag sauber vor den Blicken eines jeden Besuchers.
Einer hatte sich hierher verirrt - oder fanden seine Schritte mit Absicht den Weg hierher? Don-Esteban saß auf einer steinernen Bank in der ersten Seitenkapelle linkerhand. Sie war zum Ruhm und Preise Kazhgarmorgath In' Becharmeloths gebaut worden, dem Herrn über List und Tücke. Manche sagten, er sei eine eigenständige Erscheinung, andere wiederum behaupteten, er sei nur eine der zahlreichen Inkarnationen Beliars. Was wahr war, wusste Beliar allein.
Kazhgarmorgath war es, der nach den Gedanken der Menschen griff, sie verdrehte und sich zu eigen machte. Er verwandelte ihre Handlungen, machte Selbstlosigkeit zu Eigennutz, Mitleid zu Hinterlist und Freigiebigkeit zu Berechnung. Und war er nicht erfolgreich? Sein Herr musste wahrlich stolz auf ihn sein.
Don-Esteban betrachtete die auf einem mit eingemeißelten Mustern geschmückten Sockel stehende Statue. Sah er so wirklich aus oder war diese Statur der Phantasie des Bildhauers, der sie geschaffen hatte, entsprungen? Die hochmütig blickenden Augen mit den hochgezogenen angedeuteten Augenbrauen oder was auch immer die Entsprechung dessen auf einem schuppigen Schlangenkörper war, die zu einem widerlichen Lächeln verzogenen Lefzen des Maules, die spitze Reißzähne offenbarten. Die Zähne, mit denen er das Herz seiner Opfer packte und es verdarb. Die in langen Tentakeln auslaufenden, geschuppten Arme umschlangen exemplarisch eines davon und die spitzen Giftzähne vergruben sich in dessen Brustkorb. Wenn man um die Statue herumgehen würde, würde man sehen, dass der Blick des Opfers auf der einen Seite mild und ruhig war, auf der anderen jedoch schon tückisch und hinterhältig. Die starken Beine hielten sich mit den Krallen am Felsen fest und der lange, Schlangenschwanz wand sich um einen Felsvorsprung. Dies war Kazhgarmorgath In' Becharmeloth, der Verderber.
Ringsum, an den steinernen Wänden waren Reliefs mit den Taten des Verderbers eingemeißelt. Man sah, wie Mütter ihre Kinder für Gold verkauften, wie Männer aus Eigennutz ihre Frauen betrogen, wie Generäle durch Bestechung ihre Soldaten in den sicheren Tod schickten oder wie Kaufleute ihre Schiffe aus Profitgier untergehen ließen. Noch viele solche Bilder zierten die Kapelle. Doch was man nicht sah, war, dass die Betrüger am Ende immer selber die Betrogenen waren.
Und war es nicht auch so mit dem Magier gekommen, der den jungen Don in sein Haus aufgenommen hatte. nun, nach dem durchblättern der Notizen des Mannes, wusste er, dass es so war. Der alte Mann war tatsächlich ein Schwarzmagier gewesen und die Menge hatte mit ihrem Verdacht also damals nicht unrecht gehabt. Und nun wusste Don-Esteban auch, dass es kein Zufall war, dass ausgerechnet er ausgewählt worden war, in das Haus des Magiers zu kommen. Nein, nichts war ein Zufall gewesen. Alles war vorherbestimmt. Seine Ausbildung, der dann der Tod des Magiers zuvorkam, die Verletzung damals durch den Dämon im Minental, die dazu führte, dass er ins Kastell eintrat, um dort als Schwarzmagier zu erforschen, was mit ihm passiert war. Das alles war nicht sein Wille gewesen. Er war lediglich eine Marionette, wie sie die Puppenspieler auf den Marktplätzen führten. Nur war sein Puppenspieler jemand anders. Wie versteinert sah er in die listig schauenden Augen der Statue. Was war dem alten Magier damals wohl versprochen wurden, dass er sein Leben verkaufte? Was hatte ihn verdorben? Denn nicht freiwillig, aus eigenem Entschluss hatte dieser den Weg zu Beliar gefunden, andere, der Obrigkeit genehmere Magie hatte er praktiziert. Bis eines Tages etwas geschehen war. War ihm Macht versprochen worden, Macht über Menschen? Reichtum? Das ging aus den Notizen nicht hervor. Doch von da ab wurden finstere Rituale abgehalten im Hause des Magiers, die Nachbarn begannen zu tratschen. Der alte Mann hatte es gewusst, es ging aus seinen Notizen hervor, doch die Gerüchte über ihn hielten ihn dennoch nicht ab, weiterhin seinen schwarzen Ritualen nachzugehen.
Stumm saß der Hohepriester noch eine ganze Weile in der Seitenkapelle und hing seinen Gedanken nach, stellte sich immer wieder die gleichen Fragen die am Ende doch zu keiner Antwort führten.

Arctus

er Hauch der Stille umgab Arctus. Er hatte sich wieder im Griff, denn das gestrige Debakel mit dem arg frechen Baum hatte ihn doch ziemlich zerrüttelt. Er sollte sich diese Art von Emotionen unbedingt abgewöhnen, ansonsten würde er nicht weit kommen.
Sein Gewand schlängelte sich elegant den Gang entlang. Irgendwie hatte der zerfetzte Ärmel was Besonderes an sich, wie die einzelnen Stofffetzen so schlaf zu Boden hingen. Im Moment schien Arctus sein Auftreten und Aussehen ziemlich egal zu seien, denn die eigenartigen Bilder an den Wänden schienen eine endlose Geschichte darzustellen. Der junge Magus hatte sich nicht alles von Anfang an angesehen, dann wäre er wohl Heute noch nicht mal dort wo er sich im Moment befand. Doch auf jenes Bild, das gerade seiner Betrachtung unterzogen wurde zeigte einen grausam verunstalteten Menschen, der sich aus einer Art Unterwelt hervorzog. Schreckliche Klauen säumten seine Hand und seine raubtierartigen, zu Schlitzen, geformten Augen vermittelten den Eindruck von Blutrünstigkeit und Gefahr in seiner Nähe. Das Bild war, wie alle andere Bilder im Kastell, dunkel und düster gehalten.
Arctus schritt um die nächste Ecke. Er hoffte weiterhin etwas über diesen Dämon zu erfahren. Doch ein offenstehendes Tor tauchte hinter dieser auf. Arctus schritt hinein. Seine Robe wehte leicht nach hinten auf, da ein seichter Windzug in dieser großen Halle herrschte. Es war nicht viel zu sehen. Nur ein vereinzelnd gebündelter Lichtstrahl fand seinen Weg in diese Gemäuer und ließ sich auf einer Art Thron nieder. An den Seiten der Halle befanden sich große Säulen, an denen eigenartige Wesen gemeißelt waren. Arctus trat an eine näher heran. Seine Finger strichen sanft über die schlangenartig geschuppte Haut. Der Blick des Jungen blieb voller Entsetzen auf den spitzen Reiszähnen kleben. Tötungsmaschinen. Ein bisschen, wie auf dem Bild! Hatten sie was gemeinsam? Dieses Monstrum und der Dämonenmensch?
Arctus blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn eine Gestallt manifestierte sich aus dem Schatten heraus. Erschrocken taumelte er ein paar Schritte zurück. "Wer seit ihr?", flüsterte er in seiner hellen, kindlichen Stimme ...

Don-Esteban

er Magier schreckte auf. Wer wagte es, seine Ruhe zu stören. Seine Ruhe? Nein, die Ruhe der ehrwürdigen Hallen war es, die unterbrochen wurde.
"Arctus? Ich bin es. Ich habe auf dich gewartet", sprach er. "Auch, wenn ich dich nicht gerade hier erwartet hätte. Doch scheinbar besitzt du das Talent, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein."
Er stand auf und ging dem jungen Mann, der sich von seinem kurzen Schreck schnell wieder erholt hatte, entgegen. "Nun, wo wir hier sind, werde ich dir ein wenig über Beliar erzählen. Nicht, daß ich diese Dinge selber herausgefunden hätte, nein, es sind die überlieferten und für wahr erachteten Aufzeichnungen früherer Gelehrter, die sich mit den Göttern beschäftigt haben."
Er faßte den jungen Magier an der Schulter und zog ihn mit sich, hinaus aus der Kapelle des Verderbers mit den vielen Namen. Kazhgarmorgath In' Becharmeloth war nur einer davon. So viele Gestalten die die durch seine Tücke entfachte Habgier, der Neid und die Zerstörung annahm, so viele Namen gab man ihm.
Doch davon wollte Don-Esteban seinem Begleiter nicht erzählen. Er wollte ihm etwas über Beliar berichten.
"Schau!" Der Hohepriester zeigte, nachdem sie wieder in die Haupthalle zurückgekehrt waren auf die hohen, bunten Glasfenster am anderen Ende, hinter dem Thron auf dem erhöhten Podest. Trotz all der Säulen war der Blick frei. Der Baumeister des Kastells hatte die Bögen so konstruiert, daß das Licht der Fenster ungehindert in das Mittelschiff fiel.
"Siehst du das mittlere Fenster?", flüsterte der Hohepriester dem Magier zu. "Es zeigt Beliar als Triumphator über das Leben. Wie er die Ernte einfährt, die ihm zusteht. Denn dies ist der Teil, der Beliar zugestanden wurde, nachdem sich die Götter endlich geeinigt hatten. Innos bringt das Leben und Beliar nimmt es wieder. Adanos wacht über diesen Zustand. Und jeder muß zugeben, daß Beliar damit den besseren Teil bekommen hat. Denn das Leben ist nur kurz, der Tod währt jedoch ewig."
Er gab ein abfälliges Geräusch von sich. "Trotzdem beten die Menschen Innos an. Als ob es etwas nützen würde. Wann sie sterben, bestimmt Beliar. Und dann sind sie sein. Und Innos kann nichts gegen unternehmen. Wahrscheinlich interessiert es ihn auch gar nicht."
Sie schritten in die Mitte des Saales. Und Don-Esteban erhob laut seine Stimme. "Und dies ist die wahre Macht Beliars, die Macht bis in alle Ewigkeit." Schauerlich hallten die Worte von den Wänden und Säulen wieder, brachen sich und einzelne Wortfetzen verschmolzen miteinander, bis nur noch die Worte Macht und Ewigkeit wiederholt wurden, bis auch ihr Klang verblasste.

Arctus

er leichte Schall der Worte verklang in der mit Staubbehangenen Luft. Arctus trat ins Licht, um sich die Augen des Schwarzmagiers vor ihm genau ansehen zu können. Weit geöffnet, voller Euphorie strahlten sie auch den Wahnsinn des Gottes Beliars aus. Der Wahnsinn, dem irgendwann jeder zur Grunde liegen würde und das ohne Ausnahme, denn wenn
  der finstre Gott die Ernte einfahren würde, so wäre auch Arctus betroffen. Jedoch zeigte sich kein Gefühl des Schreckens oder der Angst, nein im Gegenteil, er setzte sogar noch Zynismus an den Tag.
„Also darf unser Gott den Dreck wegmachen!“, faste er das Gesagte im übertriebenen Sinne zusammen. Die blauen Augen stachen geradezu herausfordererisch in die schwarzen Augenhöhlen des Dons. Er stand halb im Schatten, weshalb seine Reaktionen nicht zu merken waren.
Das plötzliche Gefühl des Trotzes wich der Scham. Arctus hatte vom einen auf den anderen Moment gemerkt, dass er sich mit dem Falschen angelegt hatte. Seine blase Papierhaut verzog sich. Mit nach unten gerichteten Mundwinkel nuschelte er noch ein „verzeiht“ hervor.
Nach endlosen Minuten des Schweigens ging Arctus auf den Thron zu. Umklammerte sanft den Griff und riss feine Staubpartikel vom rauen Holz. Ihn einmal umgehend und einen musternden Blick darauf werfen, wechselte er das Thema.
„Wer hat hier einst gesessen?“, sprach die leicht zittrige helle Stimme des Jungen.
„War es Beliar in Menschengestalt?“

Don-Esteban

in Lachen erfüllte die Halle, wurde auf die gleiche Art und Weise an den Wänden und Säulen gebrochen, wie die vorherigen Worte des Schwarzmagiers. Die Akustik des Raumes war wirklich etwas besonderes. "Du hast einen seltsamen Humor, mein junger Magier. Andere mögen es als Dreck, als nutzlose Hinterlassenschaft bezeichnen. Doch warum auch nicht? Sollen sie sich doch ihre eigenen ganz und gar nutzlosen Theorien zurecht legen über Sinn und Unsinn des Lebens und des Todes. Es ist egal, ob sie das, was Beliar erhält, als Dreck bezeichnen oder nicht. Wir wissen es besser. Es sind ihre Körper, ihre Seelen."
Arctus hob an, um etwas zu sagen, doch der Don schnitt ihm das Wort ab. "Ja, ich weiß, was du sagen willst. Die Innospriester versichern jedem, der sie fragt, daß die Seele eines jeden Menschen zu Innos aufsteigt, um dort bei ihm, in seinen Hallen auf ewig in Glück und Zufriedenheit zu leben. Doch warum, so frage ich dich, sollte dies wirklich geschehen? Es ist Wunschdenken. Innos ist der Gott des Lebens. Er ist lediglich an allem, was lebt, interessiert. Die Seelen irgendwelcher Toten interessieren ihn nicht. Beliar jedoch nimmt sich ihrer an, nimmt sie auf in sein Reich."
Und mit listigem Blick fragte er Arctus: "Wäre es da nicht richtiger, statt Innos Beliar anzubeten, ihn um Gnade anzuflehen, ihm Opfer zu bringen? Damit der Tod nicht gar so schrecklich sei? Innos hat keine Macht über den Tod - allein Beliar entscheidet darüber. Du kennst die Antwort auf diese Frage - ich kenne sie. Doch wird sie die Menschen da draußen wohl nie erreichen. Denn sie klammern sich an das wenige, das sie haben, an ihr armseliges Leben. Nur wenige lernen, loszulassen, die Bedeutung des Lebens richtig einzuschätzen. Wir gehören dazu."
Nach diesen Worten folgte er Arctus, der langsam auf den aus Stein gebauten, mit hölzernen Intarsien versehenen Thron zugegangen war. Der aus schwarzem, grau und grün gemaserten Marmor gehauene Unterbau strahlte eine düstere Faszination aus. Die aus Ebenholz angefertigten Armlehnen und die hohe Rückenlehne voller komplizierter Schnitzereien ragten mahnend wie ein mahnend erhobener Zeigefinger in die Höhe.
"Dies ist der Thron Beliars. Niemand sitzt hier für gewöhnlich, sagte er mit getragener Stimme. "Er ist ein Sinnbild für die Herrschaft des dunklen Gottes, der über allem wacht, wie ein König auf seinem Thron. Er ist der Herrscher, derjenige, der die ultimative Entscheidungsgewalt innehat. Sein Wort ist Gesetz. Wen er auswählt, hat zu gehorchen. Sein Wille ist Wirklichkeit.
Der Thron ist also ein Ausdruck seiner Macht und gleichzeitig Anzeige des Herrschaftsanspruches."
Der Magier versank in Schweigen und seine Augen glitten über die ebenmäßigen Muster, mit denen die Lehne verziert war und verglich sie mit den natürlich gewachsenen, chaotischen Maserungen des Marmorsockels.

Arctus

ieder einmal herrschte die rhetorische Pause zwischen den Beiden. Arctus’ Gedanken flogen hin und her. „Ob das, an was wir glauben, wirklich der Wahrheit entspricht?“, wiedersprach der junge Magus dem etwas Älteren. Langsam strich sich der Junge mit der linken Hand über die Robe, streichelte die feinen magischen Fasern der Macht.
„Wieso sollte all dies nicht Illusion sein. Der Schein, der uns seit Kindeszeiten an in den Kopf gesetzt wird! Ich weiß nicht ob ich es Glück oder Pech nennen durfte, aber mir blieb früher das Gerede von Innos, Adanos, sowie Beliar erspart.“ Arctus näherte sich nun dem grauhaarigen Don, legte ihm den Stoff seiner Robe in die Hand und sprach weiter,
„wozu sollte Beliar so etwas wollen? Brauchen wir wirklich Gewänder oder all den Prunk, der hier im Kastell in Erscheinung tritt? Wozu sollte er uns ein gemütliches Leben machen, wenn er uns am Schluss holt?“
Arctus trat wieder zurück. Irgendetwas überkam ihn. Wahrscheinlich das jugendliche Gefühl alles anzuzweifeln und in Frage zu stellen. Wieder betrachtete er den Thron, der für einen Gott des Schreckens so ordentlich wirkte. Zu dem machte ihm die hohe Staubschicht zu schaffen.
„Diese Schicht des Dreckes zeugt doch davon, dass dieser Gott hier niemals war, oder sich nie Blicken lassen hat.“
Ein provokanter Blick zu Don folgte. Arctus glitt regelrecht über eine Wolke der Sicherheit, die er nun bis aufs Äußerste strapazieren wollte.
„Ich hatte mich damals dem Zirkel aus Verzweiflung angeschlossen, aus Angst vor dem Leben, dass mich umgab. Nun stelle ich mir die Frage, wenn ich Lebe, wieso hat Innos kein Interesse an mir!
Oder besser, ich sage dir nun, Innos hat kein Interesse an mir, weil ich Beliar bin!“
Arctus schritt zielsicher auf den Thron zu, putzte kurzum den Staub mit dem Ärmel hinfort und platzierte sich auf dem Thron. Seine schmalen Hände umklammerten die Griffe immer fester, sein Herz schlug wilder und wilder. Nichts geschah. Erleichtert atmete er auf.
„Seht ihr, niemand hindert mich daran! Also könnte ich sagen., ich seie Beliar! Ich sitze auf dem Thron Beliars, also kann ich es nur sein!“ Arctus lehnte sich nun vor, stützte sich auf die Knie und flüsterte, „soll ich euch was verraten? ... Ich bin nicht Beliar!“
Fingernägel scharbten im Holz, ein Seufzer ertönte und Arctus begann wieder zu sprechen:
„Könnt ihr mir beweisen, dass Beliar wirklich existiert?“

Don-Esteban

ie linke Augenbraue des Schwarzmagiers hob sich. Arctus saß tatsächlich auf dem Thron... Nein, es würde natürlich nichts passieren. An derlei Humbug wie strafende Blitze und anderes Zeug glaubten nur naive Naturen. Deshalb hatte es auch keinen Sinn, den Atem anzuhalten. Außerdem hätte das den Don davon abgehalten, das theologische Streitgespräch fortzusetzen und das wäre doch sehr schade gewesen.
"Oh, du scheinst mir ein rechter Zweifler zu sein. Gegenfrage: Kannst du mir beweisen, daß Beliar nicht existiert?"
Eine kurze rethorische Pause schloß sich an. Doch gerade, als das Schweigen offenbar wurde, sprach der Hohepriester weiter. "Siehst du! Und ist nicht die Magie, die den Anhängern Beliars offenbart wird, ein Beweis für seine Existenz. Wenn sie nicht von Beliar kommen würde, könnten sie auch die Priester Innos' beherrschen. Und, tun sie es? Genau, sie können nicht die kleinste Blutfliege beschwören, von einem Dämonen, herbeigerufen aus uns Lebenden fremden Ebenen, ganz zu schweigen. Sie haben ihre eigene Magie, die ihnen der Glaube an Innos verleiht."
Der Magier drehte sich um und durchmaß die Halle, um sich vom Thron, auf dem immernoch Arctus saß, ein Stück zu entfernen. Sein Ziel war der Mittelpunkt der Halle, dort, wo die Akustik am besten war, wo die Worte am klarsten bis in den kleinsten Winkel geworfen wurden.
"Und nun erhebe dich wieder vom Thron Beliars", sagte er, als er am Ziel seiner Schritte angekommen war. "Es steht dir nicht an, auf ihm zu sitzen. Denn natürlich bist du nicht Beliar. Du bist nichtmal ein mächtiger Magier. Du bist nur ein zweifelnder, junger Mann, auf der Suche nach der Wahrheit. Der sich Fragen stellt, die sich alle einmal stellen im Laufe ihres Lebens." Er hielt inne. "Nun, zumindest die Intelligenteren unter uns.
Den Prunk der Gewänder und des Kastells überhaupt braucht nicht Beliar sehr wohl. Nicht für sich selbst, nicht um sich und seiner Macht zu schmeicheln. Derartig niedere Instinkte stehen einem Gott nicht an. er braucht sie, um die Menschen zu beeindrucken. Was glaubst du, von wem ist ein durchschnittlicher Mensch mehr beeindruckt? Von dem amren, in grobes Leinen gehüllten Prediger mit verfilztem Bart, der um eine milde Gabe bettelt oder von dem sich seiner Macht bewußten, und dementsprechend auftretenden Hohepriester, der mit seiner Robe schon andeutet, zu was er fähig ist?"
Genüßlich ließ der Schwarzmagier die Worte verhallen, ehe er weitersprach. "Und deshalb dient all der Prunk nicht als Selbstzweck, sondern steht - wie wir - im Dienste Beliars."
Und nun, als auch dieser Satz endlich von den Mauern geschluckt worden war, ging er wieder festen Schrittes auf den Thron zu. Arctus hatte sich mittlerweile wieder erhoben.
"Und unter uns gesagt", flüsterte der Nekromant ihm zu, "es ist nicht notwendig, daß du ständig betest oder Beliar um irgendetwas anflehst. Beliar dienst du am besten durch deine Taten, nicht, indem du Stunden und Tage hier im Thronsaal verbringst und sinnlose Gebete vor dich hin brabbelst."
Dann fiel ihm die Staubschicht auf und sofort wurde ihr Vorhandensein in das Gewebe seiner Rethorik eingebunden. "Erkennst du die Besonderheit dieses Thrones? Im ganzen Thronsaal ist es sauber, so als ob die Dämonen Jagd auf jedes einzelne Staubkorn machen, um es dann in die Unterwelt zu verbannen. Nur an den Thron wagen sie sich nicht heran, denn es steht ihnen nicht an, ihn zu berühren oder irgendwie zu verändern."

(Fortsetzung auf Seite 4)