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Der erste Novize
gepostet am 01.10.2003
 
The_Nameless

ngewiss starrte Less auf die kleine Papierrolle, welche nun schon lange Zeit unruhig in seinen großen Händen lag.
Es war etwa zwei Tage her, seit ihn seine neuen Bekanntschaften, Blutfeuer und Krieger, nach einem mehr als amüsanten Abend in der Taverne, hier zurückgelassen hatten, um wieder ihren eigenen Angelegenheiten nachzugehen.
Doch bis jetzt hatte sich der Schwarzmagier noch nicht dazu überwinden können, das sonderbare Abschiedsgeschenk, das ihm der humorvolle Templer damals zurückgelassen hatte, einmal zu probieren...
Erneut ließ er den weißen Stengel neugierig auf seinen Fingern hin und her rollen. Ein klein wenig des grünlichen, spröden Krauts rieselte langsam auf den braunen Holzboden der Taverne herab.
Nachdenklich wank Less schließlich den freundlichen Wirt des Gasthauses, Aidar, welchen er, nach diesem zweitägigen Aufenthalt in dessen Stube, bereits recht gut kannte, zu sich.
Ein Schluck Wasser würde seine Gedanken bestimmt wieder auf Trab bringen...
Mit einem leichten Grinsen über den Lippen näherte sich der stämmige Mann auch sogleich eilig dem finsteren Eckplatz des jungen Schwarzmagiers.
Verständlich...es gab wieder etwas zu verdienen...
"Was wünscht ihr, mein Herr?"
Schief daherlächelnd blickte sich Less langsam um.
Schon wieder stand das begierige Glitzern erwarteten Goldes in den Augen des Wirtes.
"Bringt mir bitte noch einen Krug Wasser, Aidar."
Mit einem lauten Scheppern ließ der Dämonenbeschwörer zwei schwere Goldmünzen auf die dicke Tischplatte fallen, doch ein skeptischer Blick des Tavernenbesitzers ließ ihn erneut in seinen Lederbeutel greifen.
Weitere 25 Taler landeten klimpernd in dessen Händen.
Kritisch sah Less erneut auf.
"Hiermit sollten alle meine Schulden dann beglichen sein..."
Ein schmieriges Grinsen erschien auf dem Gesicht des Wirtes. Lächelnd ließ er den tönernen Krug auf den Tisch gleiten und ging dann mit festen Schritten zufrieden zurück zur Theke.
Nach einem kleinen Schluck des kristallklaren Wassers wandte sich der Diener Beliars wieder dem seltsamen Krautstengel zu, welcher noch immer vollkommen unberührt in seiner linken Hand ruhte.
Less' Neugierde war schier unerträglich, doch riet ihm sein Verstand noch immer dazu, das Sumpfkraut dort zu belassen, wo es war...
"Was mach ich nur mit dir..."
Mit pochendem Herzen und zitternden Händen führte der Schwarzmagier den kleinen Joint an die hell flackernde Flamme der mystisch duftenden Tischkerze.
Das grelle Leuchten der entfachten Glut erglänzte sogleich mit sonderbarem Schimmer in seinen finsteren Augen.
Vorsichtigen Bewegungen führte er das kurze Ende des Stengels an seine Lippen, nun gab es kein Zurück mehr...
  Erschrocken riss Less die Augen auf, schwenkte den Schädel ruckartig zu allen Seiten, und griff schließlich voller Paranoia zu seinen magischen Runensteinen.
Kalter Schweiß stand hoch auf seiner Stirn.
Abgesehen von einem leichten, aber dennoch höchst unangenehmen Brummen waren die Gedanken des Dämonenbeschwörers völlig leer...
Verwundert sah er zu der lang gezogenen Theke, die sich vor seinen Augen durch den ganzen Gastraum zog.
"Wo...wo bin ich?"
Das scheppernde Lachen eines unbekannten Mannes, der, mit einem halb zerfetzten W
Lappen bewaffnet, regelrecht grölend hinter seiner Bar stand, riss den Magier aus seinen Gedanken.
"Harharhar.. Hast wohl zum ersten Mal Sumpfkraut geraucht, was mein Junge? Harharhar... Ich hab ja schon viel erlebt, aber dass einer von nem 'Novizen' in Ohnmacht fällt, das ist mir neu. Harharhar..."
Verlegen blickte Less zu dem noch immer bis über beide Ohren grinsenden Wirt. Allmählich kehrten auch seine eigenen Erinnerungen zurück...
Unweigerlich fing er selbst an zu lachen...Krieger, wie hätte er wohl reagiert, hätte er dies soeben miterlebt?
Kopfschüttelnd erhob sich der Schwarzmagier von seinem stabilen Holzstuhl. Sein Gang war noch immer von einem leichten Schwanken beherrscht, doch zumindest hatte er wieder die Kontrolle über seine Sinne zurückerhalten.
"Seltsames Zeug..."
Mit verschwommenem Blick trat er durch den breiten Eingang des Gastraumes, stieß dabei jeweils einmal an die harten Kanten des Türrahmens, stöhnte unter den folgenden stechenden Schmerzen laut auf, und landete schließlich heftig stolpernd auf dem weichen Erdboden des Sumpflagers.
Sofort blickte sich Less dort um, doch anscheinend war keiner der Umstehenden auf sein merkwürdiges Verhalten aufmerksam geworden.
Mit einem neckischen Grinsen entfernte er sich schnellen Schrittes von der Taverne, dies war bestimmt nicht das letzte Mal gewesen...
 
Ein kleiner Dieb
gepostet am 20.10.2003
  Necron

ls Necron ein leichtes Ziehen an seinem Gürtel registrierte, drehte er sich langsam um, um herauszufinden, was der Ursprung des Zerrens war. Ziemlich schnell hatte er den Übeltäter erkannt. Vor Verwunderung fielen ihm fast die Augen aus dem Schädel. Da erdreistete sich doch tatsächlich so ein Zwerg - ein ziemlich hässlicher dazu - seine Finger an seinen Beutel zu legen. Der Dieb hatte ihn noch nicht bemerkt und Necron packte ihm am Kragen. "Loslassen! Sofort loslassen!", schrie der Lump und zappelte dabei wie ein Fisch im Netz - nahm allerdings die Finger nicht vom Beutel. Schließlich gelang es ihm sich loszureißen und rannte davon - und mit ihm Necrons Beutel. "Verdammt noch mal", dachte sich Necron. "Ich hasse diese Stadt". Fluchend nahm er die Verfolgung auf, doch in der Menschenmenge hatte der Kleine weniger Probleme und der Abstand zwischen Gejagtem und Verfolgtem wuchs stetig. Als sie den Marktplatz endlich hinter sich gelassen hatten, konnte Necron den kleinen Mistkerl nirgendwo entdecken. Er platzte fast vor Wut. Sein ganzes hart verdientes Geld - einfach gestohlen. Er trat gegen einen Stein, der mit einer rasanten Geschwindigkeit in den Straßengraben flog und drehte sich um.

Die weitaus größere Frage, die sich Necron nun stellte, war, was er mit dem Kleinen anfangen sollte. Einfach laufen lassen konnte er ihn nicht, der Zwerg würde gleich wieder jemanden beklauen, was letztendlich sein eigenes Geschäft schädigte. Der Miliz wollte er ihn allerdings auch nicht übergeben - schon aus Prinzip, auch wenn er dafür vielleicht etwas Gold bekommen hätte. "Sollen die sich ihre Diebe doch selber fangen, aber das schaffen sie ja sowieso nicht", dachte er sich. Doch konnte er den Kleinen ja schocken. Langsam eröffnete er das Wort. "Also, was ist dir jetzt lieber, du lausiger Dieb. Soll ich dich der Miliz übergeben, auf das du im Kerker verrottest oder soll ich dir hier und jetzt die Kehle durchschneiden, dann ists wenigstens kurz und schmerzlos? Los Zwerg, sprich, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit". Mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht wartete er auf die Antwort des Zwerges.

Der kleine Mann unter ihm schluckte, zuckte aber sofort zusammen, als der Dolch ihm durch seine Schluckbewegung einen leichten Schnitt am Hals bescherte. "H..H.hhör mir mal bitte zu! Ich bereus, dd..d.dir deinen Beutel stehlen zu wollen, a...aaaa....aber ich hab kaum Gold, das ich dir geben könnte, d..d..damit wirst du nicht glücklich. I..i..Ich kann dich aber auf ein B...bier einladen, wenn du willst".
Necron konnte sich kaum noch halten, der kleine Kerl war amüsant. Auch wenn er wohl Todesangst haben musste, passende Antworten fand er trotz allem.
  "Nagut, ein Bier ist besser als nichts, und viel mehr ist von dem sowieso nicht zu holen", dachte er sich. Langsam stieg er von dem Zwerg herunter, den Dolch noch immer an seiner Kehle - allerdings sehr viel lockerer als vorher. "Wie ist überhaupt dein Name", fragte er den Schurken. "E..E..Errol, mein Herr", antwortete dieser. "Also, die Sache mit dem Bier ist geritzt, aber wenn du mir noch einmal Ärger machen solltest, wirst du nicht so einfach davonkommen, dass dir das klar ist". "Jawohl, mein Herr", antwortete Errol immer noch eingeschüchtert, aber dennoch mit einem Hauch der Erleichterung auf seinem Gesicht.

Necron zog seinen Dolch vom Hals des kleinen Mannes und steckte ihn zurück in seinen Gürtel. "Der Zwerg hat genug eingesteckt", befand Necron als er die immer noch leicht blutende Platzwunde am Kopf und den blutenden Schnitt am Hals Errols sah. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, der Kerl sah einfach jämmerlich aus - und genau den passenden Gesichtsausdruck hatte er auch aufgelegt. "Selber schuld, warum musst du mich auch beklauen?", spottete Necron.

Er packte den verkappten Dieb am Kragen und stellte ihn auf die Beine. "So, du gehst voraus zur Hafenkneipe und versuch erst gar nicht, wegzulaufen, du bist ja doch langsamer". Mürrisch und vor sich hinfluchend trabte der kleine Mann vor Necron her, vorbei an der Kaserne, hinunter zum Hafen und hinein in die Kneipe. Am Tresen waren noch einige Plätze frei und die beiden nahmen Platz. Da Errol immer noch nicht ohne zu stottern sprechen konnte, übernahm Necron die Bestellung. "Zwei Bier, und die gehn auf den Kleinen hier". Abwertend deutete er auf Errol, der verärgert einen kleinen Beutel unter seiner Jacke hervorholte, den Inhalt auf den Tresen kippte und abzählte. Viel blieb ihm wirklich nicht mehr, aber für eine Runde Bier würde es noch reichen, dachte sich Necron grinsend.

Während er den Krug, den der Wirt gerade gebracht hatte, anhob und zu seinen Lippen führte, beobachtete er die erbärmliche Kreatur neben ihm. "Jetzt trink schon", munterte er ihn auf. "So schlimm sind deine Wunden auch wieder nicht". Errol fuhr vorsichtig über seinen Hinterkopf. Als er die getroffene Stelle berührte, zuckte er zusammen. Necron setzte kurz ab, nahm den Krug des Zwergs und hielt ihm diesen hin. Bereitwillig nahm Errol das Bier und versuchte seinen Schmerz in Alkohol zu betäuben. Auch Necron tat einen langen Schluck, dann erinnerte er sich, dass er eigentlich heute Richtung Sumpflager aufbrechen wollte. "Verdammtes Loch, will mich einfach nicht gehen lassen", dachte er sich. Er musste trotzdem schmunzeln, wenn er daran dachte, dass es Leute gab, für die der Tag weitaus schlimmer verlaufen war. Und genau neben ihm saß eine solche Person. Er grinste Errol an, erhob seinen Krug zum Gruß und ließ einige lange Schlücke folgen.
 
Ein Weg zu den Schwarzmagiern
gepostet vom 01.10.2003
  Aylen

er Schrei eines Vogels riß Aylen aus ihrem Halbschlaf. Sie saß immer noch auf der Bank neben dem Gasthaus. Das Kinn war ihr auf die Brust gesunken und sie hatte ein wenig vor sich hingedöst. Geschlafen hatte sie nicht, dafür war die Nacht zu kostbar gewesen.
Feiner Dunst stieg aus dem Sumpf empor und tauchte das Lager in einen dichten feuchten Schleier. Gespenstisch wirkten die herabhängenden Schlingpflanzen und die Sumfphaie in der Ferne zogen nur wie Schemen vorbei. Ein schauderlicher Ort. Aylen war überrascht dass der Sumpf solche Stimmungen hervorbrachte. Es sah fast unheimlicher aus als das Kastell bei Nacht. Der Nebel ließ die Umrisse der Bäume und Menschen nur noch schemenhaft hervorstechen und man war jedes Mal aufs Neue überrascht, wenn plötzlich jemand aus dem Nebel trat und in die Taverne ging.

Der Tag versprach diesig zu werden. Durch den Nebel konnte man nicht zum Himmel sehen, doch Aylen war sich sicher dass dort Wolken hingen und die Sonne verdeckten. Die Luft war getränkt von Feuchtigkeit, schwer und feucht lag sie über dem Lager der kiffenden Sumpfler. Aylen fand es nicht schwer sich vorzustellen, dass die Sumpfler selbst diesen Nebel produzierten mit ihren unzähligen Wasserpfeiffen oder zumindest einen Teil dazu beitrugen.
Sie stand auf. Ihre Beine waren ganz steif gefroren durch die kalte Nacht, doch das machte ihr nichts aus. Es gab Schlimmeres als kalte Beine. Sie begann langsam über die Stege zu wandern, welche ihr gestern noch so unsicher vorgekommen waren. Jetzt erschienen sie ihr eher als Bühnenstege zwischen einer stillgelegten Geisterbahn.

Sie war nicht lange herumgewandert, als sich plötzlich ein Schatten hinter ihr aus dem Nebel löste. Aylens Nackenhärchen stellten sich auf. Wer immer das sein mochte, er musste ihr folgen. Sie bog nach links ab auf einen weiteren einsamen nebelumhangenen Steg. Der Schatten blieb ihr dicht auf den Fersen. Blieb sie kurz stehen und schaute sich um, kam auch der Schatten zum Stillstand und verzog sich hinter einen der schemenhaften Bäume.
Nun war klar dass sie verfolgt wurde. Sie tat so als hätte sie nichts bemerkt und bog um den nächsten Baum. Statt aber weiterzugehen, blieb sie im Nebel stehen und zog ihren neuen Einhänder hervor.

Schritte näherten sich. Gedämpft hallten sie durch das neblige Tal, einsam und gespenstisch. Alle anderen Geräusche waren vom Dunst geschluckt worden. Aylens Finger klammerten sich fester um den Schwertgriff.
Eine Gestalt kam um den Baum gebogen. Mit einem Satz sprang die Schwarzmagierin vor und hielt dem Mann das Schwert vor die Brust, die Spitze der Klinge dicht über seinem Brustkorb.
"Warum verfolgt ihr mich?!", fuhr sie den Novizen böse an, die Augen schwarz funkelnd.
Der junge Mann zuckte erschrocken zusammen und schaute aus als hätte er einen Geist gesehen. Er hob automatisch die Hände und stammelte einige Worte hervor.
"Ich...niemals...ich wollte euch nicht erschrecken...nur...ich war neugierig..."
Aylen kniff die Augen zusammen und ließ das Schwert sinken. Vom dem Jüngling schien keine Gefahr auszugehen. Dennoch behielt sie die Waffe vorsichtshalber in der Hand.
"Neugierig? Was verfolgt ihr mich dann in all dem Nebel heimlich, anstatt mich einfach zu fragen?", fuhr sie in kaltem Ton fort.
Der Novize hörte langsam wieder auf zu zittern. Er war noch recht jung und wohl ein Nervenbündel, so wie er auf ihren Angriff reagiert hatte. Trotzdem waren seine Gesichtszüge mild und seine Augen strahlten Sanftmut aus, auch wenn sie jetzt eher denen eines gehetzten Kaninchens glichen. Er wußte keine Antwort auf ihre Frage und zuckte nur mit den Schultern.
"Also gut, wenn ihr unbedingt mitkommen wollt dann begleitet mich halt. Als Gegenleistung könntet ihr mir aber mal erklären was es hier mit diesem Lager auf sich hat."
Aylen steckte das Schwert weg und ging los.
Der Novize schien erfreut aus der unangenehmen Situation entkommen zu sein. Schnell holte er auf und lief neben ihr her.
"Wer ist dieser Schläfer, den ihr anbetet? Gibt er euch denn überhaupt etwas Tolles?", fragte sie ihn, während sie weiter durch die neblige Landschaft wanderten.
"Der Schläfer!", der Novize sprach sogleich ein paar Tonlagen höher, "er ist unser aller Schöpfer und Beschützer. Er gibt uns Kraft und seinen Segen, ohne ihn wären wir verloren." Sein Blick wurde mißtrauisch, als er an Aylens Robe hängenblieb, "Viel besser als euer Gott. Wie könnt ihr nur solch ein Scheusal anhimmeln?"
"Scheusal?", Aylen horchte auf, "ihr meint doch nicht etwa den großen Beliar, oder doch? Er ist kein Scheusal, er ist der mächtigste Gott überhaupt, dagegen kann euer kleiner Schläfer einpacken", entgegenete sie verächtlich.
Der Novize sagte lieber nichts mehr.
"Ihr glaubt an einen Erzdämonen, ihr Verrückten!", rief Aylen in den Sumpf und freute sich über das schallende Echo.
Der Novize neben ihr zuckte zusammen. "Ihr Frevler! Der Schläfer ist kein Erzdämon, ihr Unwissenden. Aber ihr werdet schon noch sehen was ihr davon habt."
"Ganz sicher", Aylen lachte. Es machte ihr Spaß diesen verrückten Sumpfbruder zu ärgern. "Dann nämlich wenn Beliar seine Macht über das Land gelegt hat und euren kleinen Schläfer vernichtet hat. Dann werde ihr sehen wie ihr eingehen werdet, weil ihr dem falschen Gott gehuldigt habt. Beliar hat die Macht und nur er. Man muss ihm mit Respekt begegnen, das ist der richtige Weg."

  Als Aylen mit ihrer kleinen Predigt geendet hatte, starrte der Novize sie nur mit großen Augen an. Dann sprang er plötzlich los und rannte davon.
Die Schwarzmagierin schaute verdutzt drein und fing dann an zu lachen. Die Beliargeschichten und ihre dunkle Gestalt hier inmitten des einsamen Nebels waren wohl doch zuviel für ihn gewesen. Ein lustiges Lager. Bestimmt erzählte er seinen Freunden jetzt dass im Sumpf eine böse Schwarzmagier herumlief, die ihnen Beliar auf den Hals hetzte. Sie tat wohl besser daran vorerst von hier zu verschwinden.

Immernoch ein Grinsen im Gesicht suchte sich Aylen den Weg zum Ausgang des Tals. Sie schritt schweigend an den Wachen vorbei und schlug dann den Weg nach rechts ein, der sie geradewegs zum Kastell führte.

Die Wolken hangen schon wieder tiefer über der Insel, als Aylen den Weg zum Kastell hinauf in Angriff nahm. Ein kalter Wind fegte ihr um die Nase und ließ ihre Robe nach hinten aufblähen. Es war wirklich kein Wetter um freiwillig draußen herumzurennen und sie freute sich schon auf ihr warmes Zimmer. Inzwischen hatte der Himmel begonnen feine Regentropfen auszuspucken und über das Land zu verteilen. Einer von ihnen traf Aylen auf der Nase und ließ sie unwillkürlich zusammenzucken. Es dauerte bestimmt nicht mehr lange bis das Wetter sich verschlechterte. Kaum hatte sie dies gedacht, hörte sie es schon um sich herum prasseln. Die Tropfen wurden dicker und dichter und ein Entkommen schien unmöglich. Unbarmherzig trafen sie auf ihren Kopf und ihre Robe, hatten sie bald vollständig durchnässt. Aylen beschleunigte ihren Schritt.
Als sie endlich die Pforte zum Hause Beliars erreicht hatte, lief ihr das Wasser bereits in Sturzbächen über das Gesicht. Der Regen prasselte herab, durchweichte die Erde unter ihren Füssen und ließ nicht einmal die beiden Skelette verschont, welche an das Tor gebannt waren.
"Lasst mit ein!", schrie die Schwarzmagierin durch den Regen.
Kaum hatte sie ausgesprochen, öffnete sich das Tor wie von Geisterhand. Immer noch viel zu langsam für Aylens Geschmack. Eilig zwängte sie sich hinein und flüchtete in die trockene Eingangshalle. Hinter ihr schlugen die beiden Torflügel sanft wieder zu.

Es war finster im Kastell. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dämmerung, welche nur durch den Schein der Fackeln zu den Seiten des großen Raumes erhellt wurde. Draußen peitschten Wind und Regen gegen das Tor. Den Skeletten musste es jetzt richtig ungemütlich werden, nass bis auf die Knochen war sicher mehr als zutreffend.
Die junge Frau nahm all diese Eindrücke wahr und überlegte gleichzeitig, wie sie jetzt zu ihrem Zimmer kam. Sie war sich ziemlich sicher dass sie die Treppe hinauf musste, dort oben fiel es ihr vielleicht eher wieder ein.
Gerade wollte sie die erste Stufe erklimmen, als ein merkwürdiges Gefühl über sie kam. Irgendwas war anders als sonst. Doch sie merkte nicht sofort was es war. Die Säulen standen alle noch an ihrem Platz. Die Treppe wand sich noch in demselben schwungvollen Bogen nach oben. Auch die Fackeln hatten ihren Platz an den Wänden nicht verlassen. Und dennoch war etwas anders.
Ihr Blick fiel auf die steinernde Statue in der Mitte des Raumes. Ihr Mund öffnete sich, halb aus Erstaunen, halb aus Ungläubigkeit. Dort, wo vor kurzem noch der steinerne Dämon gestanden hatte, der Stolz des Kastells, stand nun das Abbild eines Mannes. Wie konnte das sein?

Sie machte von der Treppe kehrt und trat auf die Statue zu. Einige Schritte vor ihr blieb sie stehen und betrachtete die Gestalt. Es war eindeutig ein Mann, leicht gebückt in der Haltung und in den Händen die goldene Schale, welche die Gaben der Besucher schluckte.

"Der Dämon ist zum Mann geworden!", rief sie erstaunt aus.

Ihre Stimme klang hohl in der großen Eingangshalle. Niemand hatte sie gehört, denn der Raum war leer.
Vorsichtig umrundete die Schwarzmagierin die neue Statue. Es war wirklich alles dran. Doch warum war er versteinert? Und was war mit dem Dämonen passiert, welcher einst so stolz hier gestanden hatte?
Sie blickte zum Gesicht hinauf. Die Augen waren nach vorn gerichtet, als wolle er jeden Besucher mit einem kalten starren Blick erfassen. Seine Hände umfaßten gierig die Schale, als wolle er jede Gabe für sich selbst beanspruchen.
Aylen streckte vorsichtig den Finger aus und tippte dem Mann auf den Arm. Schnell zog sie die Hand wieder zurück. Der Körper war wirklich steinhart und eiskalt. So leblos und steif. Dabei sah er so echt aus, als sei würde er jeden Moment aus seiner Versteinerung erwachen und nach draußen marschieren. Der Künstler musste ein großartiges Talent besitzen.

Aylen verlor langsam das Mißtrauen. Einen versteinerten Mann in der Eingangshalle zu haben, das war doch auch etwas Schönes. Sie lachte böse vor sich hin und piekste die Statue in den Hintern. Klasse, und er konnte sich noch nicht mal wehren. Ein toller Einfall, wer auch immer ihn gehabt hatte.
Jetzt ging sie aber zur Treppe und begann die Stufen hinaufzusteigen. Oben angekommen, stand sie wieder vor ihrem alten Problem. Wo war ihr Zimmer?
Sie wußte, sie würde es nicht alleine finden. Sie musste sich jemanden suchen, der sich hier auskannte. Doch sie sah keinen. Das ganze Kastell schien ausgestorben. Ein schrecklicher Gedanke kam ihr in den Sinn. Wenn nun das gesamte Kastell versteinert worden war? Nicht auszudenken, wie konnte Beliar so etwas zulassen?
Mit wachsender Besorgnis blickte sie nach links und rechts. Zu beiden Seiten erstreckten sich lange Gänge, beide führten sie irgendwohin. Doch welcher war der richtige?
Verloren starrte sie auf ein Gemälde vor sich und wünschte sich Hilfe herbei.