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Angroth
gepostet am 21.11.2003
  Angroth

ngroth erhob sich vom Lagerfeuer. Sein Blick war finster, geheimnisvoll. Ein Entschluss war gefallen, der hohe Söldner hatte einen Entschluss gefasst. Er hatte den Sagenumwobenen Blutpfad betreten, und er hatte ihn unterbrochen als er Daschnavar unterlegen ward. Buße musste getan werden, viel zu lange hatte er sich dies verdrängt. Ihm wurde einiges klar. Er hatte versagt, deshalb war er aus der Bruderschaft ausgetreten. Der Schläfer wollte es so, und im Glauben er täte was er selbst wollte war der damalige hohe Templer von dannen gezogen. Jedoch war er seinem einstigen Gott ein guter Diener gewesen bis zuletzt, weshalb ihm das kosten vom Segen des wahren Gottes vergönnt worden war bevor er nie wieder als Bruder bezeichnet werden sollte.
Der hohe Söldner sah an sich herab. Er hatte sein Leben hinter sich gelassen, er hatte versagt und war fortgelaufen weil sein Gott es so wollte. Kein Fortlaufen mehr! Er ballte die Fäuste in der ungewöhnlich warmen Herbstnacht, sah in den Himmel voller Sterne, die besitzergreifend alles unter sich hielten was der Exilclansmann je zu Gesicht bekommen könnte. Der Pfad des Blutes.
Was wusste er darüber? Nicht viel, lediglich dass es der Weg der Rache war, und dass er seine Rache verfehlt hatte. Scham wogte im Herz des Kriegers, er sah hinab von den Sternen in das gebändigte Feuer von welchem er sein Fleisch nahm und es aß, von welchem er das Bier nahm, von welchem er das Brot nahm. Der Mensch verdankte dem Feuer viel, und Angroth hatte mit seiner Hilfe viel erreicht. Das Feuer war aber nicht der Schläfer, das Feuer war Innos. Es waren Flammen im Herzen des Mannes gewesen, feurige Leidenschaft für seine Sache; hatte er also nie wirklich dem gedient dem er dienen wollte? Dienten alle, die an etwas glaubten automatisch Innos, weil in ihnen die Flamme der Entschlossenheit brannte?
Angroths Feuer war erloschen. Er war kein Ruchká mehr. Er war nur noch "Angroth, Sohn des Hemfas", wie Aeryn sich wohl ausgedrückt hätte. Ein müdes Lächeln formte die Lippen, ganz leise konnte man die Stoppeln aneinander reiben hören. Freyaa. Das Mädchen. Das Lächeln verschwand, die Mundwinkel sackten herab. Alles würde enden, wenn er enden würde. So einfach war es. Er wollte nicht, das Freyaa etwas geschah, er würde es für sie tun.
Und jetzt, wovor sein Herz sich beinahe gefürchtet hatte. Er dachte an Samantha. Für sie galt das gleiche wie für Freyaa, Angroth hatte schon Glück gehabt das Daschnavar sie nicht bei der erstbesten Möglichkeit zu sich genommen hatte. Oder war das Teil seines Plans? Es spielte keine Rolle, denn wenn Angroth nicht mehr war, dann waren sie in Sicherheit. Tränen kullerten nun über seine Wangen, hatten sich losgerissen von den Lidern, wollten fort von den Gedanken die jenen verbitterten Menschen heimsuchten. Still und leise stand er da, das Haupt gesenkt, von den herabfallenden Haaren verdeckt.
Es sollte enden, endlich. Angroth ging in seine Hütte, bedächtigen Schrittes, langsam und vorsichtig als wäre jeder einer der ersten in seinem Leben. Er dachte es wäre sein letzter Gang. Leise streifte er die Rüstung über, schloss die Scharniere und klopfte sich auf den eisernen Panzer. Jetzt würde sich zeigen, ob sie den Veteranen von dem sie kam beschützt hätte. Das Schwert wanderte mit leisem Surren aus der Scheide, glänzte golden im Feuerschein und wanderte gleißend elegant durch die Luft, still wie der Tod, der Nachts in ein Bett kroch um sich eine weitere Seele zu holen. Noch glänzte sie sauber, tadel- und makellos. Bald würde sie das Blut der Orks trinken, viel Blut.
Der Stahl wanderte zurück in die Scheide, und der junge Mann wollte sein Haus schon verlassen da entsann er sich seines Horns. Noch einmal stürzte er zurück, suchte in der Truhe - und fand! Glückerfüllt schlossen die Finger sich um das glatte Horn, er betastete es, spürte es intensiv wie nie. Auch die Luft schien klarer als sonst, und der Blick war geschärft. Der hohe Söldner schnallte das Horn an den Hüftgurt. Jetzt endlich verließ er die Hütte, schloss die Türe hinter sich und trat hinaus aus dem Lager, ohne einen Blick zurück. Er dachte an nichts, an gar nichts. Mit leerem Blick führte ihn sein Gang den Berg hinab und durch den Wald, vorüber des Flusses den er durchwatete ohne allerdings die Nässe und Kälte zu spüren, an der Burg vorbei.
Kein Tier begegnete ihm; vielleicht hüllte der Exilant sich in Schatten, das wusste er nicht mehr. Er wollte zur Orkpalisade, wollte zu den Orks, dem Werk Daschnavars. Wieder führte ihn der Weg am Fluss vorbei, und ein Wald zeichnete sich durch die Dunkelheit ab, dahinter lag das alte Lager der Bruderschaft.
Nie würde er es erreichen, davor war nun ein riesiger Zaun gezogen, Orkpatroullien und Warge bewachten ihn. Die Augen wurden schwer, der Blick klarte auf, jedoch ohne das Feuer das ihm so Respekt verschafft hatte, ohne Überzeugung, die Augen waren müde. Buße für den Fehlgeschlagenen Pfad des Blutes, er würde mit seinem Blut für das all seiner zurückgebliebenen Geliebten zahlen, und für seinen Fehlschlag. Man sagte, fast niemand hätte je den Zaun berührt, ohne danach noch lange das Licht der Welt gesehen zu haben. Nun, es war Nacht, als der Krieger alleine und verlassen an den Zaun herantrat und ihn berühren wollte. Jedoch kurz bevor Haut und Holz einander wahrnahmen, stockte die Hand, zögerte. Wieder legten Tränen einen Schleier über den einst so wachen Blick des Lehrmeisters, der herniedersank und dann ohne dem Gefühl entgegensehen zu können zufasste. Er hatte erwartet, Kälte zu spüren, Tod. Doch da war nichts. Nur Holz. Er sah auf, lächelte, jedoch nicht wie ein glücklicher Mann lächeln würde, sondern wie einer der seine Zeit gekommen sah.
So blieb er, halb eingesunken und dennoch nicht auf den Knien, bis er einen warnenden Schrei vernahm. Kehlig, dunkel, unmenschlich hallte er wider von Bäumen und nahen Felsen, um von dort zurückgeworfen zu werden als wollten die Dinge nichts mit der nahenden Tatsache zu tun haben. Langsam neigte der Krieger seinen Blick zur Seite, sah einen Orkkrieger in dunkler Rüstung und hochgesteckten Haaren näherkommen, vor ihm ein Warg der bereits Witterung aufgenommen hatte und nur noch auf den Befehl zum Angriff wartete. Ein weiterer, durchdringender Schrei ertönte, man konnte beinahe verstehen wie viel Blutdurst dahinter verborgen war, und mit gefletschten Zähnen entließ sich das schwarze Hundeähnliche Wesen seiner Position und stürmte auf sein Opfer zu.
 
 
Trauer schüttelte Angroth, aber es war zu spät. Es ging zu schnell, da war der Warg auch schon heran und in der Luft, auf dem besten Wege das Gesicht des stolzen Mannes zu zerreißen. Doch ein letztes Mal wollte er seinen Kampfeswillen zeigen, die Ehre, den Stolz, den er nicht mehr verdiente, den er nicht mehr besaß. Ähnlich wie früher in der Nacht sirrte die Waffe, als sie blitzschnell aus der verzierten Scheide wanderte um sich dem Angriff entgegenzustellen. Dank der neu erworbenen Fähigkeiten konnte Angroth dem Sprung ausweichen und gleichzeitig tief mit der Schneide in den Unterleib des Warges eintauchen, dass er warmes Blut auf der Hand spürte. Fiepend schlug das Tier auf dem kalten Steingrund auf und blieb liegen, nie wieder würde es einen Atemzug tätigen. Doch es sollte gerächt werden.
Der kampfbereite Krieger ging in Stellung, als der dunkle Ork näher kam. Es hätte ewig dauern können, bis das Ungetüm ihn erreicht hätte, im Kopf des Menschen spukten Erinnerungen herum, die Vergangenheit holte ihn ein. Alle Erlebnisse, Freunde, Abenteuer und Feindschaften. Würde er ihnen wieder begegnen? Das wusste er nicht, er wusste gar nichts.
Es war keine Ewigkeit, und der Grünling erreichte mit dem Wahnsinn in den Augen und erhobener Waffe seinen kleinen Menschenfeind, ließ sogleich das schwere Todeswerkzeug herabrasen - jedoch ins leere. Zu langsam kam der Schlag, und es war beinahe schon einfach ihm auszuweichen. Dennoch gestaltete sich bei diesem Muskelbrocken der Todesstreich schwieriger, die Erzklinge prallte an der Kombination aus Leder und Metall ab, senkte sich nur ganz sacht in das Fleisch ohne eine ernsthafte Verwundung zu verursachen. Aus dem Augenwinkel konnte Angroth weitere Gestalten erkennen, die sich ihm näherten. Zwischenzeitlich hatte sich der erste Ork wieder aufgerappelt und schlug ein weiteres Mal zu. Dieses Mal war der hohe Söldner nicht darauf vorbereitet gewesen, er stand auch mit dem Rücken zu seinem Feind, eine Regel die er nie brechen wollte. Dank seiner massiv gebauten Rüstung wurde der Schattenläuferstarke Schlag abgefedert und es warf ihn nur zu Boden, jedoch schmerzte der Aufprall sehr. Die Klinge hielt er fest in der Hand, sie würde er nicht verlieren, sie war ein Teil von ihm. "Glaubenshüter". Sein Schwert, dass er erhalten hatte weil er dem Paladin Cipher eine Schmiede gebaut hatte, in glücklicheren Tagen. Hatte er je Krieg mit den Dienern Innos gehabt? Hatte er je Krieg mit Beliar gehabt? Hatte er gar Krieg mit Donnra oder Adanos? Nein, er war stets seinen eigenen Ansichten unterlegen gewesen, hatte sich verleiten lassen. Der Glaubenshüter stand für alles was er verraten hatte, obwohl er es benutzte um seine Ideale damit zu verteidigen. Welch Ironie in sich.
Die Zeit war gekommen, dass das Schwert dem folgte wofür es bestimmt war, einer Person die tolerant gegenüber allem stand, einer Person deren Herz für das Gerechte war, einer Person die für die Bruderschaft gelebt hatte, einer Person die liebte. Es war beinahe als könne Angroth den nächsten Schlag vorausahnen, und so rollte er sich zur Seite, nur um Bruchteile eines Herzschlags später den grobschlächtigen Stahl der Orkwaffe neben sich im Boden versinken zu sehen. Jetzt war er schnell, hieb seinem Feind die Hand ab, nie mehr sollte sich dessen Waffe aus der Erde heben um einem Menschen Schaden zuzufügen. Ein Schmerzensschrei drang durch die Luft wie zuvor der blutrünstige und noch davor der warnende, es sollte der letzte dieses Wesens sein! Der Krieger stieß sich vom Boden ab und erhob sich, schlug sein Schwert in die verwundbare Kehle seines Opponenten und ließ ihn zu Boden sacken, leblos.
Die anderen waren bald heran, und der Kampf wurde unnachahmlich geschweige denn nachvollziehbar. Lange rangen sie, und es sah so aus als wäre der Mensch trotz seiner körperlichen Unterlegenheit fähiger sich seines Lebens zu behaupten, und noch einige der Grünlinge sanken leblos zu Boden bevor endlich die Kraft und letzte Entschlossenheit aus dem vernarbten Geist eines ehemaligen Ruchká wich. Und doch waren der Orks wenige geworden, die Nachtwache an diesem Abschnitt erschien doch nicht so massiv wie er erwartet hatte. Es reichte sie bis auf einen zu dezimieren, jedoch trug er bereits zahlreiche Wunden am Körper, blutete, seine Rüstung war an manchen Stellen gerissen und es wirkte als blute sie selbst. Beide hatten sie keine Kraft mehr, auch der Schwarzork, der einzige der noch gekommen war nach jenem den Angroth zuerst niedergestreckt hatte, war ebenfalls von Wunden übersät und seine Kraft war gering, selbst an menschlichen Maßstäben gesetzt.
Ein letztes Mal blitzte der Stahl trübe auf, geblendet von Blute das es getrunken, dann kehrte Stille ein.
Beide sanken sie zu Boden, der hohe Söldner entließ sein Schwert seines Griffes, hörte es aber nicht zu Boden fallen. Es steckte in der Brust des letzten Feindes. Er selbst aber blutete von Armen, Brust, Beinen, im Gesicht. Seine Nase blutete stark, sein Blick von Tränen und Lebenssaft verschleiert erblickte das letzte Heben der Orkischen Brust. Es war vorbei, der Pfad des Blutes gesühnt, aber das Blut hatte nicht für Samantha und Freyaa gereicht, er lebte noch. Verzweifelt ließ er sich auf seine Arme fallen, er weinte. Dann wurde es dunkel und kalt.
Einsam und alleine lag der Mensch zwischen einigen Orkleichen und etwas weiter ab davon ein toter Warg, es sah aus als seien sie alle tot. Würde sich niemals wieder etwas dort regen? Er hatte die Orkpalisade berührt, er lebte noch. Nicht lange danach, so sagte man, sei man gestorben, nachdem man das Licht der Welt gesehen hatte.
Nicht lange danach ... ein dehnbarer Begriff.
Das Wunder von Khorinis
gepostet vom 04. bis 07.12.2003
   
Horaxedus

rummelnd stapfte etwas sehr dunkles durch das Dunkel. So sehr Horaxedus die Nacht auch schätzte, denn sie war ihm vertraut und legte stets ihre finstere Hand wie einen Mantel des Schweigens über die düsteren Vorkommnisse im Kastell der Schwarzmagier, so sehr nervte sie ihn hier draußen. Im Wald musste wirklich nicht unbedingt Nacht sein.

Der Glasmacher gehörte zu den Anhängern Beliars, die Innos nicht hassten. Doch der helle Gott war ihm egal. Wie konnte es um die Macht eines Herren bestellt sein, der als Gestirn die Sonne auserwählt hatte? Sein Stern verglühte jeden Abend und momentan wurden die Tage sogar stets kürzer und kürzer. Schwächelte Innos? Horaxedus ließ diesen Gedanken ohne jede Häme bereits nach kürzester Zeit wieder fallen. Es war ihm völlig gleichgültig.

Und so ging der Magier weiter durch die Nacht, näherte sich Schritt um Schritt der Stadt Khorinis, auf den Pfaden, denen er erst vor wenigen Tagen gefolgt war. Heute klappte es recht gut ohne Lichtkugel. Unnütz war die Dunkelheit hier draußen trotzdem.

Horaxedus

"ch glaube, Du verhältst Dich grundlegend falsch. Glaub mir, ich bin nicht gekommen, Dir gute Ratschläge zu erteilen, auch wenn ich sicher etwas mehr Erfahrung an Leben aufbringe als Du." Horaxedus lächelte offen. Während er gesprochen hatte, schien sein Gegenüber keineswegs ruhiger geworden zu sein. Der Magier spürte den offensiven Blick, Absichten unmenschlicher Natur, doch war er zu dieser frühen nächtlichen Stunde nicht in der Stimmung, sich einschüchtern zu lassen. Schließlich fuhr er ohne übertriebene Betonung fort:
"Keinerlei Aggression ging von mir aus, und Du stellst Dich mir dennoch so offensichtlich feindselig entgegen."

Doch inzwischen, und das spürte der Glasmacher längst, war die Zeit der Freundlichkeiten verstrichen. Er konnte reden wie er wollte, Freundschaften würden hier und jetzt gewiss keine mehr geschlossen werden. Wozu auch lange umherdiskutieren?

Ein kaum wahrnehmbares Zucken der linken Hand des Magiers setzte eine dumpfe, wütende Schattenflamme frei. Sie schenkte dem Scavenger augenblicklich den Tod, noch bevor sein letzter Schrei die nähere und weitere Umgebung zu langweilen vermochte.

Horaxedus zog zügig Xions Degen von seiner Schulter und trennte der Kreatur einen ihrer rudimentären Stummelflügel ab, welchen er anschließend sofort in seinem Bündel verschwinden ließ. Dann schubste der Schwarzmagier den Scavenger-Kadaver angewidert mit dem Fuß beiseite, ein Stück über den Wegesrand hinaus. "Ekelhaft."

Schließlich zog der Glasmacher weiter, Richtung Stadt.

Horaxedus

oraxedus erreichte seine alte Höhle unweit der Stadt Khorinis. Wochenlang hatte er damals hier gelebt. Getrunken und geschlafen, nur nachts zur Taverne aufgebrochen. Ein armseliges Leben. Diesen kleinen Stützpunkt jedoch noch heute hier vorzufinden, noch immer klug im Fels versteckt und ebenso mit schmutzigem, aber trockenem Stroh ausgestattet, war ein Glück. Für jemanden, der in Khorinis etwas zu schaffen hatte und die Robe eine Schwarzmagiers trug, konnte dies beispielsweise ein Ort sein, an dem man trotzdem seine Nächte unbemerkt in dichter Nähe zur Stadt verbringen durfte. Und seine Robe ablegen konnte.

Der Schwarzmagier mochte seine dunkle, schlichte Magierkleidung. Er trug sie jedoch stets ohne großen Stolz. Seine Zugehörigkeit zu den Anhängern Beliars trug er tief in sich. Und wenn es nötig war, den einfältigen Innos-Gläubigen entgegenzutreten, ohne dass sie bei seinem Anblick gleich in hysterische Altweiberkreischen ausbrachen, nun denn, so wollte er ihnen diesen Gefallen halt tun.

Der Glasmacher reckte sich. Mitten am Tage hier umherzustreifen war nicht eben das, wonach er sich gesehnt hatte. Wenigstens konnte man bei Tageslicht hier draußen auch ohne Lichtzauber etwas erkennen. Ein gutes, kühles Wetter schien ihm auf den stets nachdenklichen Kopf, während er in seiner alten Bürgerkleidung auf das östliche Tor von Khorinis zu schritt. Wortlos drückte er der Wache ein paar Münzen in die bereits halb geöffnete Faust. Es war nicht nötig, viel zu geben, auch wenn man vielleicht mehr entbehren konnte. Aber man musste zielstrebig und beinahe arrogant weitergehen, ohne sich auf den Ruf "Was? Nur sieben?" noch einmal umzudrehen.
  Horaxedus

oraxedus war noch nicht lange in dieser Stadt, in der er so lange nicht mehr gewesen war. Quer über den des Nachts so stillen Marktplatz schlenderte er, so unauffällig es einem Schwarzmagier in zivil eben möglich war, vorbei an allerhand Ständen, hinter denen noch vor wenigen Stunden fettbäuchige Händler ihre überteuerten Waren dem feisten Volk feilgeboten hatten. Dem Magier war es, als hallten ihre süßlichen Stimmen noch jetzt an diesem Orte und überboten sich in ihrem konsumorientierten Liebreiz: "Kauf mich!"

Nicht lange würde es mehr dauern, dann kehrten die Kaufleute zurück auf diesen wertvollen Platz, um denen, die ihrer Habe überdrüssig waren, diese abzuschwatzen, und denen die kaum einen Kreuzer besaßen, ihre Lieben zu ernähren, das letzte Staubkorn aus der Tasche zu leiern.

Nun jedoch, da die tiefe Nacht, Freund der Schwarzmagier, über dem Marktplatz lag, war Stille über dem Ort des Feilschens und Handelns, zog allenfalls der tumbe Nachtwächter seine Runden durch Khorinis, doch sehnte selbst er sich gelangweilt nach seinem kaum verdienten Feierabend. Die Hellebarde gleich einer alten Jungfer im Anschlag, übersah er selbst Horaxedus, der mitten zwischen den hölzernen Ständen verweilte und sich tief im Innern freute, die Behaglichkeit und Cleverness des Kastells längst der schnöden Magie des Mammons vorgezogen zu haben.

Der Nachtwächter war gerade in Richtung der Kaserne vorübergeschlurft, als der finstere Glasmacher, dem es an Orientierung in dieser ehedem wohlbekannten Stadt nicht mangelte, inmitten der Marktstände einer sonderbar großen und ebenso runden Erscheinung gewahr wurde. Was stellte dies dar? Kaum kleiner als ein Kürbis, doch größer als jeder jemals unweit irgendeines Stammes gefallene Apfel lag sie da, die überaus grüne, nur mäßig glänzende Frucht. Horaxedus trat ein Stück näher heran und stupste vorsichtig mit der Fußspitze gegen die fast runde und spürbar schwere Kugel.

Die Wassermelone holperte ein Stück des Pflasters hinunter. Der Schwarzmagier, durchaus nicht uninteressiert, folgte ihr mit schleichendem, schnellen Schritt. Ein erneuter Schupser mit der rechten Fußspitze, und die grüne Kugel rollte in beachtlicher Geschwindigkeit vorbei am Tempel des Adanos, an dem zu dieser nachtschlafenden Zeit freilich kein Publikum neugierig den Worten irgendeines Redners lauschte. Wozu auch? Selbst tagsüber vermochte kein halbwegs normaler Mensch länger als eine Viertelstunde seines knapp bemessenen Lebens guten Gewissens ausgerechnet der Predigt eines Wassermagiers zu lauschen, geschweige denn, sie zu verstehen.

Ein weiterer schwungvoller, harter Kontakt seines trainierten Beines mit der Melone, und Horaxedus musste sich schon eilen, um dem vegetarischen Geschoss durch einen Torbogen in Richtung des Hafenviertels von Khorinis zu folgen. Die Kugel rumpelte vorbei an Tür und Tor; lediglich ein paar angetrunkene Nachtschwärmer verfolgten mit glasigem Blick das nächtliche Dribbling des Horaxedus, vorbei an einigen entlaufenen, dumm dreinschauenden Schafen, immer tiefer in das dunkelste, aber bei Nacht lebendigste Viertel von Khorinis!

Kaum kam die Melone zum erliegen, eilte bereits wieder der Glasmacher, inzwischen schnaufend, herbei und versetzte ihr einen herzhaften Tritt, auf dass die schwere, runde Frucht ihren Weg Richtung Hafenbecken fortsetzen sollte. Die Blicke diverser nächtlicher Passanten ebenso auf sich ziehend wie die Aufmerksamkeit der sorgsam umher blickenden Milizen, die rund um ihre Stammkneipe herumlungerten, näherte sich der Schwarzmagier mitsamt seinem pflanzlichen, ballartigen Sportgerät der Anlegestelle im Hafen.

Ein letztes Mal noch kam die Melone zu liegen, und Horaxedus nahm Anlauf zum entscheidenden Schuss. Vorbei an einem der allgegenwärtigen Hafentrinker zirkelte er den grünen Ball direkt zwischen den Masten zweier zufällig nebeneinander im Hafen festgemachten Segelboote hindurch aufs weite Meer. "TOOOOR!!" jubelten die vor der Taverne dicht beieinander stehenden Zuschauer, und selbst die zufällig vorbei patroullierenden Milizsoldaten applaudierten wohlwollend. Der Schwarzmagier lächelte den Bewunderern verlegen zu. Vielleicht war dies noch nicht die Zeit, sich fortan Weltmeister nennen zu dürfen. Doch all diese anwesenden Menschen wussten um die soeben für alle Zeit mit eigenen Augen erlebte Gewissheit: Es war geschehen.

Das Wunder von Khorinis.

Hilias
gepostet vom 26. und 27.11.2003
   
Hilias

Hilias schaute sich ein letztes Mal zu Harads Schmiede um.

Der Schmied war nicht zu sehen, nur einige seiner Gesellen und Tagelöhner huschten geschäftig vor der Schmiede hin und her, schlugen auf glühende Rohlinge ein oder schleiften Stahl zu Klingen. Hilias seufzte tief und machte sich auf den Weg in die Unterstadt, um sich dort einen Platz zum Schlafen zu suchen.
Es waren kaum noch Leute auf den Straßen zu sehen. Zwei finstere Gestalten standen vor ei-nem der ersten Häuser zu Hilias Rechten. Als Hilias sie anschaute, warfen sie ihm einen verächtlichen Blick zu. Der eine war groß und schwerfällig, doch er würde sich zu verteidigen wissen, sollte es drauf ankommen. Der andere war kleiner, lehnte sich lässig gegen den Rahmen der Tür und spuckte Hilias direkt vor die Füße. Hilias machte, dass er weiter kam. Das letzte was er gebrauchen konnte war Ärger mit den augenscheinlichen Stadtschlägern.
Die Sonne, hatte sie vorhin noch die Strasse in spärliches rotes Licht getaucht, war nun endgül-tig hinter dem Horizont verschwunden. Nur der Lichtschein aus den Häusern erhellt die Strasse noch. Hilias wunderte sich, das kaum in einer der Hütten ein wirkliche Tür eingebaut war. Lediglich ein Türrahmen ohne Türbrett. Und das, in einer Stadt die angeblich nur so vor Diebsgesindel überlief. Vielleicht gab es bei den Armen hier in der Unterstadt nicht so viel zu holen, dass sich der Aufwand lohnen würde.
Hilias ging runter zum Hafen und machte eine Kneipe aus. Dort wollte er als Erstes mit seiner Suche nach einer Unterkunft beginnen. Er wollte die Kneipe gerade betreten, als ihm ein Kerl in den Weg trat. "Du willst wohl in die Kneipe." Hilias musterte den Typen. Halbstarker mit na großen Fresse, mehr nicht. Doch er hatte einen Dolch an der Hüfte hängen. Kein Drachentöterschwert, aber immerhin ein Dolch. Hilias war nicht so blauäugig, sich hochmütig in sein Verderben zu stürzen, weil er von einem rostigen Dolch verletzt an der Blutfäule starb. Er war neu hier. Deshalb blieb er bescheiden. "Ja, ich will in die Kneipe." Der Typ streckte die Hand aus. Hilias nahm nicht an, das sie ihm zum Gruß hingehalten wurde. "Ich verstehe nicht." sagte Hilias verwirrt, da traf ihn ein harter Schlag ins Gesicht. Er wirbelte zurück, verlor das Gleichgewicht und schlug lang hin. Der Sturz war schmerzhafter gewesen als der Schlag selbst. Hilias war in seiner Heimat Boxer gewesen. Kein überragender, aber er konnte einen solchen Fausthieb schon weg stecken. Er war nur überrascht worden. Schnell rappelte er sich auf.
Der Mistkerl, der ihn zu Boden geschlagen hatte, grinste fies und sprach: "Du machst gleich noch einen Freiflug, wenn du nicht deinen Eintritt bei mir bezahlst." Aus der Kneipe kamen einige Schaulustige, unter ihnen auch eine Stadtwache, deutlich an der roten Rüstung zu erken-nen. Hilias überlegte sich, um Hilfe zu rufen, doch er verwarf diesen Gedanken schnell. Hier unten schienen andere Gesetze zu herrschen und Stadtwachen waren hier nur Gäste.
"Ich hab kein Geld bei mir." sagte Hilias halblaut und bekam zur Belohnung einen weiteren Schlag ins Gesicht. Der Typ war vielleicht dumm und schwach, aber schnell mir den Händen. Hilias ging zwei Schritte nach hinten, da kam nächste Hieb, auf die Leber, was Hilias die Luft nahm. Er ging in die Knie, da zog sein Gegner mit schnellem Griff ihm den Rucksack vom Rücken.
"Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich mich von deiner Armut selbst überzeuge." Hilias wollte nach dem Rucksack greifen, doch ein Tritt gegen die Schulter warf ihn wieder zu Boden. Die Zuschauer lachten gehässig und verschwanden zurück in die Kneipe. Für sie war die Sache gelaufen. Der Schläger grinste noch einmal über seine Schulter zu Hilias zurück und ging dann ebenfalls in die Kneipe, wahrscheinlich seinen Sieg begießen und Gratulationen der restlichen Meute empfangen.
Hilias erhob sich. Außer seinem Stolz war er unverletzt. Er überlegte kurz, was tun sollte. Die Stadtwachen informieren? Das schien wenig Sinn zu haben. Hilias zog einen schweren Gegenstand aus einem Halfter, das an seinem Rücken hing. Der Eisenholzknüppel seines Vaters. Dann betrat Hilias die Kneipe.

Hilias

Die Luft war erfüllt von Rauch, Schweiß und dem Krach des saufendem Pöbels. Niemand be-merkte den Eindringling.
Hilias zählte seine möglichen Gegner. Vier, den Dieb mitgezählt, sahen nach Problemen aus. Der Rest, insgesamt Sieben, war zu betrunken oder arbeiteten heftig dran es noch zu werden. Hilias machte schnell seinen Rucksack und das Stück Dreck, das ihm den Rucksack entwendet hatte am Tresen aus. Er hob ein Krug Bier an die Lippen, hörte einen der derben Witze, die hier durch die Luft flogen, und prustete die Flüssigkeit über den ganzen Tresen aus. Allgemeines Gelächter und einzelne Flüche von durchnässten Gästen donnerte durch die Schankstube. Das war Hilias Gelegenheit. Mit schnellen Schritten ging er hinter den Dieb und zog den Rucksack von dessen Rücken. Der fiel vom Hocker und schlug hart auf den Boden auf. Hilias hatte nun die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Gäste. Keine Laut war zu hören. Nur erstaunte Gesichter. Hilias bewegte sich rückwärts langsam auf den Ausgang zu und versuchte alle im Raum im Auge zu behalten. Der Dieb erhob sich stöhnend. "Wer zum Henker..." "Ich" sagte Hilias tonlos. Der Dieb wirbelte rum und gaffte dümmlich in Hilias Richtung. "Du?" schnappte er. "Ich muss dir wohl deinen kleinen Kopf von den Schultern drehen, bevor du begreifst, was Sache is?" keifte er weiter. Hilias war unbeeindruckt. Er hatte diesen Trottel unterschätzt und dafür im Staub der Strasse gelegen. Es war Zeit den Spieß um zu drehen. "Wir sollten vor die Tür gehen und das wie Edelmänner regeln." Der Dieb blickte unsicher in die Runde seiner Saufkumpanen. Er schien nicht recht zu wissen, was Hilias von ihm wollte. Der Wirt sprach von hinten: "Er meint, ihr sollte die Sache draußen ausprügeln, Holzkopf!"
Die Mine des Diebes erhellte sich. "Ach so. Du willst was aufs Maul. Gerne doch." Hilias verließ die Kneipe, gefolgt von seinem neuen besten Freund. Die Andren blieben dicht gedrängt vor der Kneipe stehen und murmelten leise vor sich hin, wer wohl gewinnen würde.
Der Dieb zog seinen Dolch, wechselte von der Rechten in die Linke und wieder zurück. Lang-sam umkreiste er Hilias. Hilias wartete ab, in der Hand seinen Knüppel. Der Dieb grinste wild, gab einen atonalen Kampfschrei von sich und stürzte auf Hilias ein. Der wich aus und wehrte den ersten Schlag des Diebes ab. Der Dieb sprang zurück, stürzte vor und hieb immer wieder auf Hilias ein, doch dieser werte nur ab. Er wollte den richtigen Augenblick abpassen. Wieder ein Angriff und dann wich sein Gegner zurück, ohne auf seine Deckung zu achten. Hilias führte einen schnellen Schlag gegen den Ellenbogen seines Widersachers. Der schrie gequält auf und man hörte etwas brechen, als wenn man trockenes Anmachholz verbricht. Der Dolch landete im Staub. "Mein Arm, du Scheißkerl hast mir den Arm gebrochen. Helft mir doch, steht nicht rum und gafft." Doch die Gäste blieben wie angenagelt stehen. Gut für Hilias, denn er hätte nie gegen die ganze Meute bestehen können. Schlecht war es allerdings für seinen Gegner. Der wich jetzt hilfesuchend immer weiter zurück, der verletzte Arm hing schlaff an seiner Seite. Hilias machte einen schnellen Schritt auf ihn zu und rammte den Knüppel mit voller Wucht auf den Brustkorb. Sein Gegner taumelte, fiel nieder und blieb betäub liegen. Hilias ging zu ihm hin. Sein Herz und sein verletzter Stolz brannten vor Hass und forderten weitere Schläge. Dem Schädel sollte man dem Penner einschlagen. Doch Hilias beherrschte sich. Er kniete nieder und sah dem Mann, der jetzt keine Gefahr mehr für ihn darstellte, lange in die Augen. "Das nächste Mal schone ich dein Leben nicht mehr. Komm mir nie wieder unter die Augen." Hilias wartete keine Antwort ab. Er schulterte seinen Rucksack, verstaute seinen Knüppel und ging die Strasse nach Ost zurück in die Oberstadt. Das Hafenviertel und die Unterstadt waren nicht der rechte Ort für ihn. Nicht bei Nacht.

Regen fiel vom tiefschwarzen Himmel. Hilias lief schon eine Weile ziellos durch die Stadt. Zu erst war er zum Galgenplatz zurück gekehrt, doch dort war niemand. Zwei Wachen schoben vor dem Tor ihr Schicht. Hilias hatte schon nähre Bekanntschaft mit der Wache zum oberem Viertel gemacht und konnte auf weitere Konfrontationen verzichten. Die Wache zum oberen Viertel hatte ihn rüde gestoppt. "HE HE HE, wo wollen wir denn hin?" "Ich suche eine Bleibe für die Nacht." antwortete Hilias müde. Der Kampf in der Unterstadt hatte mehr Kraft gekostet, als Hilias gedacht hatte. "So. Eine Bleibe." Die Wache schaute verächtlich auf Hilias runter. "Dort oben wirst du aber keine finden. Du darfst nicht passieren." sprach der Kerl in Rüstung, als habe er diesen Satz schon tausendmal sagen müssen. "Dann werde ich geh." sagte Hilias und wandte sich zum gehen. "Aber mach das du von der Strasse kommst. Nachts sind nicht viele Wachen auf den Strassen und Halunken gibt es über all. Und geh nicht ins Hafenviertel. Da können wir dir nämlich gar keinen Schutz bieten." Hilias erinnerte sich an die besoffene Stadtwache und ihm lag ein bissiger Kommentar auf den Lippen, verkniff ihn sich aber mit Mühe. Ärger mit dem Gesetz wollte er nicht auch noch haben.
Also ging er wortlos, zuerst zum Galgenplatz, dann auf den Marktplatz zu. Der Regen fiel in dichten Schleiern und es wurde langsam kalt. Hilias war Kälte von Zuhause gewönnt, aber Regen hatte es dort wenig gegeben. Schnee ja, aber Regen nicht. Hilias nieste zweimal kurz und ging auf das Tor mit den zwei Wachen davor zu. "Scheiß Wetter." murmelte der eine. "Du sagst es." sprach der andere. Hilias sah keine andere Möglichkeit. Er hatte weder Geld um sich ein Zimmer zu nehmen, noch würde ihm zu dieser späten Stunde jemand einfach so die Tür öffnen und rufen, "Komm rein du armer Hund, ich hab noch ein Bett frei und die Suppe dampft schon auf dem Herd." Hilias Magen knurrte laut, bei dem Gedanken an Essen. und einer der Wachen hob die Augen und bedachte Hilias mit einem misstrauischem Blick. "Wohin des Wegs zu so später Stunde?" sprach er Hilias mit spöttischer Stimme an. "Ich will in den Wald." Die Wache, die ihn angesprochen hatte lachte nur und redete herablassend auf Hilias ein: "Pilz sammeln gehn, in der Nacht? Na viel Spaß. Die Wölfe werden sich freuen." Hilias lächelte zurück, doch es war ein gefährliches Lächeln, ohne Spuren von Humor.
  "Pilz soll man doch bei feuchtem Wetter suchen. Ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür." Ohne ein weiteres Wort zu verlieren drängte sich Hilias an den Wachen vorbei, raus aus dieser teuflischen Stadt. Die erste Wache schüttelte nur den Kopf, doch die zweite, ein noch junger Mann, drehte sich nach Hilias um und lief hinter ihm her. "Wartet." Hilias blieb entnervt stehen und verflucht, nicht zum letzten Mal, nach Khorinis gekommen zu sein. Der junge Mann holte Hilias ein. "Ihr wollt doch nicht wirklich da rein gehen?" Er deutete in Richtung Wald. "Ich werde mich jedenfalls nicht weiter rum schubsen lassen." sagte Hilias und konnte nur mit Mühe seine Stimme im Zaum halten. Der junge Mann nickte knapp. "Ich verstehe. War wohl ein harter Tag für euch." "Kinderspiel" sagte Hilias bitter. "Nun, ihr solltet mal einen der Bauern aufsuchen. Vielleicht haben die Arbeit und Obdach für euch." Der Mann sah sich verstohlen nach seinem Partner um und flüsterte dann: "Oder geht zum Kloster, den Weg entlang. Wenn ihr höfflich fragt und euere aussichtlose Lage schildert, bin ich sicher sie werden euch für eine Nacht ein Bett geben. Sie sind streng, aber keine Unmenschen." Hilias lächelte schwach. "Hab Dank. Seit meiner Ankunft seit Ihr der erste Mensch, der freundlich zu mir ist." "Nicht der Rede Wert. Merkt euch nur, nicht alle sind so wie" - er nickte mit dem Kopf in Richtung Tor -" der da. Und der is auch nur sauer, weils son Sauwetter is." Mit diesen Worten verabschiedete sie die Wache und lief zum Tor zurück. Hilias lächelte ihm nach und machte sich dann selbst auf den Weg. Er befürchtete, wenn ihm nicht bald jemand half, könnte er hier auf dieser Insel sterben.

Hilias


Noch vor Stunden, als die ersten Sonnenstrahlen das dichte Blätterdach des Waldes durchbrochen und feiner Nebel sich über Boden erhoben hatte, glaubte Hilias fest dran, sich nicht verlaufen zu haben. Jetzt war es später Nachmittag und es war fast einen Tag her, das Hilias die Stadt Khorinis verlassen hatte. Er war dem Weg durch den dichten Wald gefolgt, ohne zu wis-sen wohin er eigentlich führte. Nach einer Weile war er ein kurzes Stück in den Wald gegangen, um Wasser zu lassen. Doch noch bevor er dies tun konnte, brach das Wurzelgeflecht eines toten Baumes weg und Hilias verlor den Halt. Er rutschte einen steilen Abhang runter, überschlug sich zweimal und landete schließlich in einem Erdloch und stieß sich hart den Kopf an. Mit schmerzenden Knochen und ohne eine Lichtquelle zur Hand, versuchte er sich den Abhang aufwärts zurück zum Weg zu kämpfen. Dabei wollte er nicht auf geradem Weg den Hügel ersteigen, sondern versuchte schräg nach oben zu laufen. Das war nicht so kraftraubend. Irgendwann ging der Hang in eine sanfte Steigung über und schlussendlich wurde das Gelände völlig eben. Ein Weg war jedoch nirgends zu finden. Der Wald hingegen wurde nur dichter und das Unterholz immer verfilzter. Hilias schlug sich durch das Gehölz und setzte seinen Weg bis zur Morgendämmerung fort. Seine Kräfte, beim Verlassen der Stadt nur leicht angeschlagen, drohten sich nun völlig zu erschöpfen. Er musste ein Rast machen, wollte er nicht bewusstlos zusammen brechen und leichte Beute für wilde Tiere werden. Tiere, die ihm hätten gefährlich werden können, hat Hilias zwar noch keine gesehen, doch er kannte sich mit Wäldern aus und er glaubte, das es nicht lange dauern würde, bis ihm die ersten Wölfe begegnen würden.
Also setzte sich Hilias nieder, zog die Beine dicht an den Körper - die kalte Luft des morgendli-chen Waldes, war nicht schlimm, doch die Feuchtigkeit zerrte schwer an Hilias - und legte das Kinn auf die Knie. Er lies die letzte Nacht vor seinem Auge noch einmal ablaufen. Noch war er sich nicht seines Leichtsinns nicht bewusst. Blind hatte er sich auf seine Erfahrung als Holzfäller und Waldläufer verlassen, doch hatte er die wilde Unberührtheit dieser Wälder noch nicht ge-kannt. Diese Wälder waren so anders, als die in seiner Heimat. Aber es half nichts, Hilias musste weiter, bevor ihn die kühle Luft in den Schlaf riss. Von einem solchen Schlaf wachten nur wenige auf. Hilias stand auf und tat einen Schritt, da hörte er ein bedrohliches Knurren hinter sich. Das tiefe Grollen von einem Tier, das sich bedroht fühlte oder bedrohen wollte. Hilias war starr, unfähig sich auch nur einen weiteren Schritt zu bewegen. Das Grollen riss nicht ab, es gesellte sich lediglich ein weitere Ton hinzu, ebenfalls tief und bedrohlich brummend. Und ein weiterer. Und noch einer. Hilias drehte vorsichtig den Kopf über die Schulter. Es waren insgesamt fünf Wölfe, grauschwarz gemustert und alle hatten bedrohlich ihr Lefzen hochgezogen, um die Sicht auf ihre scharfen Zähne frei zu geben. "Ich sehe ernsthafte Problem auf mich zu kommen." flüstere Hilias, sich kaum bewusst das er es hörbar aussprach. Einer der Wölfe setzte eine Pfote vor und nährte sich langsam, den Kopf tief über dem Erdboden, bereit zum Sprung. Die anderen teilten sich auf und begannen Hilias einzukreisen.
Hilias unterdrückte die wilde Panik, die ihm zuschrie, er solle um sein Leben rennen. Das wäre sein sicherer Tod gewesen. Selbst wenn er das vor ihm liegende Gelände gekannt hätte, niemand läuft so einfach einer Wolfsrotte davon. Also kämpfen? Da standen die Chancen einer Flucht wesendlich besser. Hilias bewegte sich langsam nach hinten, versucht dabei alle Wölfe gleichzeitig im Blick zu behaltend. Die Tiere folgten ihm in gebührenden Abstand. Wahrschein-lich hatten sie schon die Erfahrung gemachte, dass ein Mensch durchaus keine so leichte Beu-te ist, nach der er vielleicht aussah. Das oberste Gebot aller Raubtiere ist: Verletzungen bei der Jagt sind zu vermeiden, sonst kann man hinterher keine weitere Beute mehr machen. Also warteten sie darauf, dass Hilias einen Fehler machte und Hilias hingegen wollte den richtigen Augenblick abpassen, um zu fliehen. Doch viel Hoffungen, unverletzt aus dieser Sache rauszukommen, machte er sich nicht. Überleben ja, aber nicht ohne wenigstens einen Kratzer. Einer der Wölfe setzte zum Sprung an und Hilias drehte sich schnell zur Seite. Der Wolf verfehlte ihn nur knapp. Hilias begann zu rennen. Die Wölfe folgten ihm. Hilias rannte und sprang, doch ein schneller Blick über die Schulter verriet ihm, das seine Verfolger zwei Beine mehr und sehr viel weniger Last zu tragen hatten, was sie schnell nähr kommen lies. Hilias beschleunigte sein Tempo. Er achtete nicht auf die Bäume vor ihm. Wenn er einen auch nur streifte und fiel, war sein Leben verwirkt. Doch ihnen auszuweichen würde sein Tempo zu sehr runter drücken. Also alles auf eine Karte. Die Wölfe kamen immer dichter heran. Hilias sah die Aussichtslosigkeit seiner Flucht ein und wollte stehen bleiben, sich zum Kampf stellen, da rannte er ungebremst in ein Hindernis. Es war warm, hatte kratziges, weiches Fell, roch stark nach Wut und einer boshaften Energie. Verwirrt trat Hilias ein paar Schritte zurück und zum ersten Mal, seit dem er dieses Land betreten hatte, spürte er Todesangst sein Wirbelsäule hinauf klettern. Was immer es war, es war groß, hatte dunkles Fell und ziemlich schlechte Laune. Die Wölfe traten auf die Bildfläche und kaum hatten sie die neue Lage erkannt, machten sie sich mit schrillem Geheul aus dem Staub. Das Wesen, das Hilias so unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte, erhob sich schwerfällig, drehte dem Störenfried seinen massigen Kopf zu und brüllte aus Leibeskräften auf Hilias ein. Der ging sofort in die Knie. Der Lärm war Ohrenbetäubend. Das Ding war nicht nur groß und sah nach einer geballten Ladung Kraft aus, es war ein Fleischfresser, wie Hilias an den riesigen Hauern im Maul der Bestie erkennen konnte. Ein langen Horn prangte auf dessen Stirn und Hilias war sich jetzt seines Todes sicher. Doch er würde nicht kampflos untergehen. Er zog den Knüppel seines Vaters, der angesichts dieses Monsters wie ein Spielzeug wirkte und machte sich zum Kampf bereit. Als die Höllenkreatur Hilias ansprang, ging ihm nur ein schreiender Gedanke durch den Kopf: Wer immer mich hört, ich brauch Hilfe!

Hilias

"Hilias hätte keine Chance gehabt. Selbst für einen geübten Kämpfer im Vollbesitz seiner Kräfte ist ein Schattenläufer ein zäher Brocken. Hilias war weder in Form, noch hatte er je gegen einen Schattenläufer gekämpft, geschweige den gegen einen gekämpft( oder gesehen). Der erste Angriff warf ihn sofort zu Boden, seine Knüppel aus Eisenholz flog ins Unterholz, und der Schat-tenläufer begrub Hilias unter sich. Es half nichts. Hilias war stolz, aber nicht hochmütig und es blieb ihm keine andere Wahl, als nach Hilfe zu rufen. "Hilfe! Hilfe..." Hilias Stimme wurde zu einem gepresstem Flüstern zerdrückt, als der Schattenläufer sich erhob und eine der großen Pfoten auf seinen Brustkorb stellte. Hilias hörte etwas brechen und ein scharfer Schmerz jagte von seinem Brustbein die Wirbelsäule entlange in jede Faser seines Körpers. Der Schattenläu-fer hob den Schädel in die Luft, schrie seinen Sieg in den nächtliche Wildnis. Hilias wandte sich unter den Krallen des Tieres hervor bekam Luft, unterdrückte die Schmerzen, die das Atmen bereitete und schrie alle Kraft, die er noch besaß, aus sich raus. Dann war der Schattenläufer wieder über ihm. Jetzt wird er mir die Kehle durchbeißen, dachte Hilias betäubt und empfand eine gewisse Erleichterung. Dann würden die Schmerzen vorbei sein. Wie weggeblasen würden sie...Ein Krachen riss Hilias zurück in die Realität. Der Schattenläufer brüllte überrascht. Hilias Verstand verabschiedete sich, klare Gedanken verschwommen zu einem Brei aus Schmerz und Verwirrung. Jetzt schaltete sich sein Selbsterhaltungstrieb ein, griff nach dem letzten Reserven, die dieser geschundene Körper noch zu Geben im Stande war. Hilias erhob sich schwankend, den Kampf seiner unbekannten Retter mit der Bestie bekam er nur am Rande mit. Der Baum da. Dort werde ich mich hinsetzen und mir eine Pfeife anzünden, dachte er gedankenverloren. Er erreichte den Baum, setzte sich mit Mühe nieder und versuchte sich zu erin-nern, wie er in dieses Chaos geraten war. Hilias berührte seinen schmerzenden Kopf . Der Haaransatz war feucht und Hilias ahnte schon, dass es nicht Wasser sein würde, wenn er es im Licht betrachten könnte. Sein Gesicht brannte und ihm war heiß. Aus weiter Ferne konnte er die Geräusche des Kampfes hören. War da gerade Wasser zuhören gewesen? Ein Fluss vielleicht? Ein Wasserfall? Hatte er es sich nur eingebildet? Plötzlich hörte er schwere Schritt auf sich zu kommen und ein heißes Keuchen. War es dieses Ungeheuer oder einer seiner Retter? Hilias versuchte hoch zu kommen, erkannte aber, dass er gänzlich wehrlos war.