Aylen
tille
kehrte ein, als Aylen an einem weiteren Abend im Schatten des Übungsraumes
stand und die Augen schloss. Sie hatte keine Rune, sie hatte keine Erfahrung,
doch sie hatte einen großen Willen. Sie wollte endlich das schaffen,
was ihr schon seit Tagen im Kopf herumspukte und keinen Ausgang gefunden
hatte: die untote Blutfliege.
Dutzende Male hatte sie sich die Zeilen in dem alten Magiebuch durchgelesen,
in denen die Beschwörungsformel dieses untoten Wesens geschrieben
stand. Es waren alte Worte, unbekannte Worte einer anderen Sprache, die
Aylen fremd war. Doch sie bewirkten das Unmögliche, die Herbeirufung
eines Wesens aus einer anderen Welt. Wenn man sie denn richtig sprach.
Ihre Finger zitterten leicht, als sie zum ersten Wort ansetzte. Immer
wieder hatte sie sich in der Nacht zuvor diese Zeilen durchgelesen, sie
in ihrem Gedächtnis verankert, um sie heute wieder hervorzuholen.
Sie mussten ein Teil von ihr werden, diese Worte der fremden Sprache.
Sie musste sofort auf ihren Wortlaut kommen, wann immer sie sich in Gefahr
befand. Vergaß sie auch nur eines von ihnen, war der Spruch verloren.
Ihre Lippen öffneten sich leicht. Zaghaft bewegte sie die Zunge und
wusste nicht ob sie jetzt beginnen sollte oder nicht. Doch sie konnte
nicht ewig so herumstehen, daher beschloss sie jetzt mit der Beschwörung
zu beginnen. Einmal war immer das erste Mal.
Leise Worte kamen über ihre geöffneten Lippen, unverständlich
für jeden Außenstehenden. Ein Gemurmel aus fremden Silben entstand
und ihre eintönige Stimme wurde lauter, je näher sie seinem
Ende kam. Doch plötzlich stockte sie, der Redefluss wurde unterbrochen
und die Panik stieg in ihr auf. Wie ging es noch weiter? Wie waren die
Worte, welche sie jetzt benötigte?
Da kamen sie wieder, genauso schnell wie sie ihr entfallen waren. Eilig
sprach Aylen weiter und das Zittern ihrer Finger ließ wieder ein
wenig nach. Gleich darauf verstummte sie wieder, am Ende der Formel angekommen.
Ein Klappern verriet, dass ihre Worte Wirkung gezeigt hatten. Vorsichtig
öffnete die junge Magierin die Augen, um das prachtvolle Wesen zu
bestaunen, das sie hervorgebracht hatte.
Die Ähnlichkeiten mit einer Blutfliege waren wirklich erstaunlich,
wenn man den krummen Rücken und die abstehenden Rippen mal außer
Acht ließ. Auch der gebogene Schwanz und die langen Hasenohren sollte
man ignorieren, wenn man die wahre Pracht einer unzweifelhaften Blutfliege
erkennen wollte: Das Summen.
Aylen stieß einen Schrei aus. Ihr erster Versuch war gründlich
daneben gegangen. Sie hätte doch besser vorher noch mal im Buch nachschlagen
sollen, wie der genaue Wortlaut war. Sie musste sich irgendwo vertan haben.
Nur, wie bekam sie das misslungene Stück jetzt wieder weg, bevor
es einer der anderen Magier sah? Die Blamage wäre unermesslich gewesen.
Sie sah nur einen Ausweg. Kreischend zog sie ihre Klinge hervor und begann
auf das untote Wesen einzuschlagen. Wütendes Surren erfüllte
den Raum und der verkümmerte Knochenhaufen hüpfte bedrohlich
auf und nieder. Schließlich kam sie herangeschwebt und begann mit
ihrem knochigen Ringelschwänzchen nach Aylen zu stechen. Die Schwarzmagierin
wehrte sich heftigst, hatte jedoch den Hieben dieses Missgebildes von
einer Blutfliege nichts groß entgegenzusetzen. Schließlich
beschloss sie spontan die Flucht.
Schreiend rannte sie aus dem Übungsraum und durchquerte die große
Eingangshalle. Das Surren der beschworenen Kreatur hallte an den hohen
Wänden vielfach wider. Wieso hatte ihr keiner gesagt, dass sich beschworene
Kreaturen gegen einen richteten, wenn man sie angriff? Oder hatte sie
diese Zeile der Vorsichtsmaßname einfach nur überlesen? Der
Verdacht lag nahe.
Doch im Augenblick beschäftigten sie andere Gedanken. Das Entsetzen
im Gesicht, rannte sie weiter durch die dunklen Gänge des Kastells,
die missratene Blutfliege dicht auf den Fersen.
Arctus
eltsam.
Arctus fühlte sich besser. Hatte er wirklich die Umklammerung der
Grippe von sich gebracht oder war es nur das Heilmittel, dass ihm die
Magierin gegeben hatte?
Verwundert sah der Junge an sich herab, betrachtete seine kleinen Zehen,
die am Bettdeckenende herausschauten und sich etwas bewegten.
"Was denkt ihr?", fragte der Magus, "können wir wieder
aufstehen?" Natürlich wackelten die Zehen vor Freude, denn sie
hatten sich seit langer Zeit nicht mehr bewegt, nicht mehr die Last des
Körpers auf sich gespürt. Doch konnten sie wirklich noch ihren
Teil zur Balance beitragen? Arctus würde es merken. Sanft streifte
er die Decke ab und setze sich, berührte nur mit äußerster
Vorsicht den Boden, als wäre es kaltes Wasser in das er seine Füße
tauchen würde.
"Nun denn, dann wollen wir mal." Behutsam ließ er mehr
und mehr Gewicht auf seine Füße und siehe da, sie hielten.
Wäre auch schlimm gewesen wenn nicht.
Nun mit dem Selbstbewusstsein eines Kindes am Anschlag, streifte sich
Arctus seine Robe über und zog sich ein paar gefütterte Schuhe
an, ja das Kastell ließ nichts an Wünschen offen. Sogleich
stürmte er geradezu aus seinem Zimmer, ließ sich geschwind
auf das Geländer Plumpsen, dass die Treppen hinunterführte und
rutschte hinunter, um im Erdgeschoss schließlich noch etwas auf
dem glatten Boden entlang zurutschen. Solche Stoffschuhe waren wirklich
fantastisch.
Seinen polternden Magen hatte Arctus schon lange bemerkt, weshalb das
Refektorium gar nicht weit entfernt lag. Voller Elan ließ er sich
dort auf einen Stuhl plumpsen und bestellte sich erst einmal eine Tomatensuppe,
man muss ja langsam anfangen.
Freudig umspielten die Hände des Jungen das Besteck. Er war wieder
gesund und bereit für neue Taten.
Arctus
rctus
hatte erst versucht sein Gesicht hinter seiner Hand zu verbergen, als
er den Koloss von einem Magier ins Refektorium stampfen sah, doch das
half nicht um sich vor seinen Blicken zu retten. Beliar meinte es heute
nicht gut mit ihm, sprach ihn das Magiergesindel auch noch an.
"Schönen Abend. Waren wir wieder einmal in dem feinen Etablisse
ment am Khorinischen Hafen? Wie viel hat es denn die Kasse des Kastells
gekostet?", entgegnete Arctus frech, schlürfte gleich noch etwas
lauter seine Tomatensuppe weiter.
Da wurde man wieder gesund, erfreute sich des Lebens und dann DAS. Aus
finstren Augen sag er noch das Mädchen , nein eher die Frau an, die
sich ebenfalls niedergelassen hatte, etwas unsicher. Sie schien das erste
mal im Kastell zu sein.
"Die Dämonen verursachen immer so viel Schmerzen im Kopf. Nach
einer Weile gewöhnt ihr euch dran.", warf er noch ein, um ihr
etwas Mut' zumachen.
Aylen
ylen hatte
eine unruhige Nacht verbracht. Den halben Abend war sie durch das Kastell
gerannt, verfolgt von einer mutierten Blutfliege, die nicht mehr von ihr
ablassen wollte. Ihren Sport hatte sie so ohne weiteres für die nächsten
Wochen abgearbeitet, an Ausdauer fehlte es ihr nun nicht mehr. Sie wusste
nicht mehr, wie lange sie herumgeirrt war, doch irgendwann war das Summen
verstummt und nach einem vorsichtigen Blick zurück war ihr klar geworden,
dass die untote Fliege zu Staub zerfallen war.
Noch gezeichnet von der nächtlichen Aktion erwachte sie jetzt und
stand auf. Es war bereits Abend, wie nicht anders zu erwarten hatte sie
den Tag verschlafen und die Nacht lag vor ihr. Ein interessanter Tagesrhythmus,
den sie sich angeeignet hatte, aber er passte so gut zum Kastell.
Ihre Finger waren ganz unruhig, als sie ihr Zimmer verließ. Immer
noch dachte sie daran, wie sie gestern durch die dunklen Gänge geflüchtet
war. Heute wollte ihr nicht dasselbe noch mal passieren, sie hatte sich
auch extra nochmals die Stelle im Buch durchgelesen. Es war nur ein kleiner
Fehler gewesen, ein falsches Wort, das jedoch solche Wirkung hervorgebracht
hatte.
Gedankenversunken schlich sie durch die Kastellgänge, als sie auf
jemanden stieß, der wohl dasselbe tat. Verwundert blickte sie auf
und schaute direkt in die Augen ihres Magiemeisters. Ein Ruck ging durch
ihren Körper.
"Hallo, es freut mich euch wieder zu sehen. Ich habe gehört
eine Krankheit hat euch für einige Tage niedergestreckt? Ich hoffe
es geht euch besser."
Sie lächelte ihren Meister an, etwas schuldbewusst, angesichts der
Miesere am gestrigen Abend.
"Ich habe auch fleißig geübt.."
Arctus
"ott,
lasst mich bloß ...", Arctus schaute auf, bevor er weiter sprach.
"Ach du bist es."
Arctus war noch gereizt von der Konversation, die er gestern geführt
hatte. Wieso machte ihn dieser ... wie hieß er noch? .. auch egal,
dieser fette Magier halt, immer so wütend?
Schnell versuchte Arctus seine schlechten Gedanken wegzuwischen, um sich
voll und ganz auf sein Schülerin zu konzentrieren.
"Ihr habt geübt?", sprach er mit erstaunen, "Habt
ihr euch das alles aus den staubigen Büchern gekramt?"
Arctus war offensichtlich erstaunt über den Eifer den seine Schülerin
an den Tag legte. War er auch so am Anfang gewesen? Ach nein, sein Eifer
wurde immer unterdrückt.
"Wie auch immer. Zeigt mir doch, was ihr gelernt habt! Hier, nehmt
meine Schattenflammenrune und schießt", Arctus stockte, sah
sich fragend um, "schießt da einfach aus dem Fenster. Wäre
doch toll, wenn ihr es treffen würdet."
Gespannt stellte sich der Junge neben Aylen...
Aylen
chon wieder
überkam sie das seltsame Gefühl, von einem kleinen Jungen herumkommandiert
zu werden. Doch er war ihr Meister und wusste einiges mehr als sie, das
musste sie sich immer wieder vor Augen führen.
Also nickte sie und nahm die Rune in die Hand. Wenn jetzt nur nicht der
Vorführeffekt einsetze, das würde schlimme Folgen haben.
Aylen nahm die Rune fester in die geschlossene Hand und begann, sich auf
den Spruch zu konzentrieren. Es war nicht ganz einfach, besonders wenn
einem jemand zuschaute.
Sie hatte sich ein Fenster ausgeguckt und konzentrierte sich darauf, ihre
Schattenflamme zu erschaffen. In ihrer Handfläche sammelte sich die
Wärme, bis sie selbst es fast unerträglich fand. Mit einem fast
lautlosen Puff erschien der dunkle Energieball schließlich auf ihrer
geöffneten Handfläche und tanzte dort unruhig auf und ab. Seine
Energie war genau richtig, nicht zuviel und auch nicht zu wenig. Aylen
war richtig stolz auf sich.
Sie hob den Kopf, um das Fenster anzuvisieren. Dann überlegte sie
nicht mehr lange, sie setzte zum Wurf an ließ die Flamme frei. Zu
spät bemerkte sie dass das Fenster geschlossen war und nachdem die
Schattenflamme haarscharf an Arctus Nase vorbeigezischt war, knallte sie
krachend in die Fensterscheibe, die unter dem Aufprall zerbarst. Feine
Röte überzog ihr Gesicht. Arctus hatte das Fenster links davon
gemeint.
"Entschuldigung", brachte sie aus tiefstem Herzen hervor.
Arctus
nter einem
scheppernden Krachen zerbarste die Glasscherbe, schüttete ihre traurige
Gestallt über den gesamten Boden. Man konnte fast glauben, dass es
sich um Tränen handele, die Tränen einer Fensterscheibe.
"Prima!", lobte Arctus Aylen. "Ich sehe, dass deine Schattenflamme
sogar Schaden anrichten kann. Und der war sogar richtig Laut."
Arctus musste unfreiwillig Grinsen. Was wäre ihm dafür beim
Don wiederfahren? Wahrscheinlich hätte er sich wieder damit vergnügt
ihn mittels eines Dämonen auf sein Zimmer zu schicken. Alter verstörter
Mann. Vielleicht sollte man ihn nicht mehr auf die jungen Schüler
loslassen. Doch ... ich brauche ihn noch', warf sich Arctus selbst
ein. Er war derjenige, der Zutritt zum Runenraum hatte, von ihm würde
er die Runen für seine Schülerin besorgen müssen. Verflixte
Welt.
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass du dann auch den Lichtzauber beherrscht.",
warf Arctus ein.
"Nun, ich habe die letzten Tage genügend Zeit gehabt um nachzudenken.
Ich selber habe eine Rune, die mich ins Kastell teleportieren kann, doch
fehlen mit die, die mich an andere Orte Teleportieren können. Vielleicht
zum Kloster Innos?!", Arctus musste schon wieder schmunzeln.
"Das wäre doch eine Idee! Lasst uns zum Kloster reisen und so
eine Rune holen. Ich glaube nicht, dass es einfach wird, doch mit anderen
Kleidern und etwas Schauspielkunst dürfte es doch klappen. Was meinst
du?"
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Aylen
ylen fiel
ein felsgroßer Stein vom Herzen, als ihr Lehrmeister das kleine
Malheur so gelassen aufnahm. Sie hatte wirklich Glück mit ihm, sie
hatte sich einen Meister viel schlimmer vorgestellt. Aber sie bezweifelte
nicht dass es solche hier auch gab.
"Zum Kloster? Ihr seid verrückt!", sie begann zu lachen,
doch der Gedanke gefiel ihr sehr. Das letzte Mal, als sie im Kloster war,
hatten sie die Schafe verfolgt. Vielleicht konnte sie es ihnen auf diese
Weise zurückzahlen. Oh ja, sie hatte noch einige Rechnungen offen
mit diesen Anbetern Innos. Ein Besuch kam ihr mehr als gelegen und er
versprach jede Menge Spaß.
"Aber verrückt klingt sehr gut. Wann brechen wir auf? Die Nacht
wird doch sicher der beste Zeitpunkt sein, da ist es dunkel und Beliar
legt seine schützenden Hände um unsere Gesichter. Lasst uns
sofort aufbrechen!"
Sie schaute hinab auf die Schattenflammenrune. Gehörte sie jetzt
ihr? Was auch immer, sie würde sie im Kloster vielleicht brauchen
können. Besser sie nahm sie gleich mit, falls Arctus sie nicht wiederhaben
wollte.
"Wo bekommen wir andere Kleidung her? Ich glaube ich hab noch meine
alte Rüstung von damals irgendwo. Müsste aber schon sehr verstaubt
sein."
Arctus
"ine
Rüstung? Nein, sie lässt dich als gefährlich da stehen.
Innos mag keine starken Frauen, genauso wenig wie Beliar schwache mag.
Wir müssen ein paar kümmerlichere Kleider finden. Ich habe noch
eine alte blaue Robe. Wenn ich die etwas zerfetze wirkt das sicherlich
gut. Am besten wir schauen mal in die Kleiderkammern. Sind die nicht im
Keller?"
Arctus war voll von Übermut und stürmte sogleich los, Aylen
hinterher. Mit schnellen Schritten erreichten die beiden die Treppe zu
Erdgeschoss, eilten herunter und waren auch ein paar Augenblicke später
im Keller des Kastells angekommen. Suchende Blicke folgten. Staubige,
lange Zeit nicht benutzen, Türen säumten den spärlich beleuchteten
Gang, in dem sie sich befanden. "ich glaube die Tür da ist es!",
warf Arctus ein, streifte das Spinnennetz vom Türknauf und öffnete
die hölzerne morsche Tür. Ein lautes knarschen und dann volle
Dunkelheit. "Licht wäre jetzt ganz gut!", erwartungsvolle,
doch nicht sehbare Blicke flogen zu Aylen...
Aylen
ylen bekam
mehr und mehr das Gefühl, dass sie hier einer Art Prüfung unterzogen
wurde. Auch wenn es unwahrscheinlich war, sicher wollte Arctus sie nur
etwas fordern und ihr zeigen, wie sie ihre neuen magischen Kräfte
im Alltag einsetzen konnte. Wenn man von Alltag sprechen konnte, schließlich
verirrte sie sich nicht jeden Tag in den dunklen Klosterkeller.
Sie hustete kurz, als ihr eine Wolke Staub entgegenkam. Dann suchte sie
in ihrer Tasche und hoffte, dass sie die richtige Rune erwischt hatte.
Innig konzentrierte sich, bis zu ihrer Erleichterung ein heller Lichtschein
über ihren Köpfen erschien. Es hatte funktioniert!
Ein weites Lächeln zierte ihr Gesicht und sie warf es zu Arctus hinüber,
der sie lobend ansah.
"Schauen wir uns mal um."
Im Schein des magischen Lichts kämpften sie sich durch die dicken
Spinnweben. Hier und dort saß noch ein prachtvolles Exemplar und
verkroch sich schnell in einer Ritze angesichts des hellen Lichtes. Aylen
nahm sich vor unbedingt noch einmal hierher zu kommen um ein paar Spinnen
einzusammeln. Ein Paradies für diese Wesen.
Sie hatten eine Reihe verstaubter Regale passiert, als Arctus vor einer
alten Truhe niederkniete. Aylen kam zu ihm und beugte sich hinüber.
"Ist sie abgeschlossen?"
Arctus
"ch
weis nicht. Vielleicht klemmt sie auch nur!", verzweifelt versuchte
er irgendwo einen Griff zu finden, mit dem er den schweren Deckel hochheben
konnte, doch er fand nur ein altes verrostetes Schloss. "Hm."
Arctus stand auf und trat einmal kräftig dagegen, doch das Ding verhaarte
fest an seiner Stelle. "So ein verdammter Mist. Ich schieß
sie auf!"
Schnell griff der Magus in seinen Robenärmel und suchte vergebens
nach der passenden Rune. Aylen hatte sie.
"Ach du hast sie ja noch. Schieß sie mal auf das Schloss, pass
aber auf, dass das Licht anbleibt!" Die Befehle waren klar, nun sollten
die Taten folgen.
Aylen
wei auf
einmal, einfacher konnte es ihr der Magier auch nicht machen. Aylen griff
in ihre Tasche, um die zweite Rune hervorzuholen. Jetzt nur nichts verwechseln.
Sie nahm die Rune mit der Schattenflamme fest in die Hand und konzentrierte
sich wieder. Oben hatte es schon geklappt, daher sollte es jetzt auch
kein Problem sein. Jedoch war der Luftwiderstand hier unten im Keller
etwas anders und so sehr sie sich auch mühte, die Flamme blieb recht
klein. Sie hoffte es reichte.
Das Schloss im Auge, zielte sie direkt darauf und feuerte ab. Der erste
Pfeil brachte nicht viel, lediglich das Holz wurde etwas dunkler. Sie
versuchte es ein weiteres Mal, immer wieder, bis die Truhe schließlich
mit einem Klack nachgab.
"Sie ist offen!"
Aylen steckte die Rune wieder weg und eilte zu der alten Truhe. Gemeinsam
öffneten sie sie und schauten hinein. Sie war voller alter Kleider
und Stofffetzen.
"Na da findet sich doch bestimmt etwas für uns. Schaut mal,
das hier würde euch stehen." Sie zog ein blaues Kleid hervor
und hielt es Arctus an. Sie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen bei
diesem Anblick.
Arctus
"ein
nicht das Blaue!", Arctus starrte fasziniert an Aylen vorbei in die
Truhe. Da lag etwas anderes, etwas in rot. Sanft berührte er den
feinen Stoff, umklammerte ihn mit aller Vorsicht und zog ihn in die Höhe.
Rot war er und zugeschnitten wie ein feiner Herrenrock, hatte an den Ärmeln
weise plüschige Fransen, genau wie am Halsbereich. Zwei Knöpfe
hielten diesen Anzug zu und da war noch eine weiße Strumpfhose.
Ja es war geradezu perfekt.
Ernst sah er Aylen an, "Umdrehen oder Licht ausmachen!". Aylen
sah verdutzt zurück, tat wie ihr befohlen.
Eine Weile raschelte es laut, Stoff bewegte sich, die Schwarzmagierrobe
fiel zu Boden und etwas anderes ersetzte sie. "Du kannst das Licht
wieder anmachen."
Wieso grinsten Aylen den bloß so komisch? Gefiel ihr der Männerock
den nicht? Ein seidiges Tuch wurde an beide Ärmel gespannt und über
den Rücken geworfen, so dass ihm immer ein Hauch des Nichts folgte.
Dann kam noch der Dreieckshut dazu, der natürlich auch rot war, sowie
ein paar rote Stoffschuhe, mit roten Schnürsenkeln, die Aussahen,
als würden sie ein Geschenk umwickeln. Alles im allen wirkte Arctus
sehr aristokratisch. Sein schwarzes Haar, mit dem leichten Rotton, passte
hervorragend zum Outfit und die blase Haut gab dem ganzen noch einen feinen
Touch.
Er fühlte sich wunderbar, nicht zuletzt wegen der weißen Strumpfhose,
die ihn warm hielt.
"Nun, zieh du doch das blaue Kleid an!", grinste er. Es war
wirklich nicht grade ansehnlicht.
Aylen
ylen verzog
das Gesicht und schüttelte bestimmt den Kopf. Dann musste sie wieder
lachen, kaschierte es jedoch unter einem Husten.
"Schick", entglitt es ihren Lippen und dann war sie schon wieder
am Wühlen. Sie brauchte wesentlich länger als Arctus in der
tiefen Truhe, dann jedoch zog sie endlich etwas Passendes hervor: Ein
langes Kleid aus feiner Seide, das dunkelgrün im Licht schimmerte.
Am Saum hatte es zwar schon ein paar Mottenbisse, doch das sah man nur
bei genauerem Hinsehen.
"Das nehm ich", sagte sie und sogleich erlosch das Licht.
Arctus hörte ebenfalls nur ein Rascheln und zwei Fluchlaute, als
sich Aylen in der Dunkelheit die Zehen an der Truhe stieß. Dann
aber wurde es wieder hell und die junge Schwarzmagierin war ganz in grüne
Seide gehüllt.
Sie drehte sich einmal im Kreis herum und hakte sich dann bei Arctus unter.
"Gehen wir, mein Herr."
Arctus
"ehr
wohl. Lasset uns aufbrechen zu neuen Taten.", blödelte Arctus
weiter, "den Innosgeweihten werden wir bei einer Tasse Tee mal ein
paar Worte aus der Kehle locken. Doch wo zu Himmel ist die Kutsche? Sie
verlangen doch nicht, dass ich laufen muss."
Arctus hielt sich den Bauch. Nicht nur, dass Aylen wie eine Sumpfnixe
aussah, nein, das ganze gehabe war einfach zu komisch. Hoffentlich würde
er sich bei den Innosler das Lachen verkneifen können.
"Nun denn, auf zu neuen Taten."
Es dauerte nicht lange, da war das erhabende Paar mit graziösen Schritten
durch die Eingangshalle stolziert und schließlich hinter dem Tor
verschwunden. Die Skelette dachten wohl, dass es sich nur um zwei Geister
handele...
Arctus
itternd
kamen die beiden ausgehungerten Wanderer an den Mauern des Klosters an.
Was sich erst als nebelartiger Schemen in der Ferne gezeigt hatte, entpuppte
sich zu einem imposanten Bauwerk, hoch oben auf einem Berg, zu dem nur
eine steinerne Brücke führte.
"Und jetzt Ruhe bewahren", sprach Arctus noch einmal zu seiner
Schülerin, konnte sich aber selbst kaum halten vor Aufregung. Schnell
noch zupfte er sich ein paar Falten aus seinem roten Rock und rückte
sich den Dreieckshut zurecht, dann gingen beide auf den Innosbruder zu,
der vor der Mauer aushaarte. Schnell stupste Arctus Aylen in die Seite.
Es würde nicht gut aussehen, wenn so ein Junge wie er das Reden übernehmen
würde...
Aylen
um ersten
Mal bemerkte Aylen, wie imposant doch der große Klosterbau war.
Stolz reckte er sich von einem Fels hinauf in den Himmel, von wo aus dieser
elendig gute Innos über seine Schützlinge wachte. Er hatte den
Standort seines Heiligtums wirklich gut ausgewählt, wenn man die
Brücke passierte durfte man nicht unter Höhenangst leiden. Der
Wasserfall zu ihrer Linken verlieh dem ganzen eine kühle Frische,
jetzt im Nebel jedoch war er nicht mehr zu erkennen.
Sie hatten den kleinen Vorplatz erreicht, auf dem wie erwartet ein Novize
stand und sie mit einem freundlichen Nicken begrüßte. Aylen
fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Konnten sie ihn nicht einfach wegblasen
und reingehen? Wozu noch das ganze Gerede, das war doch mehr als unnötig.
Doch Arctus musste schon einen Grund haben, dass er diese Vorgehensweise
gewählt hatte.
Also zupfte sich Aylen ihr dunkelgrünes Samtkleid zurecht und versuchte
ein ungeschicktes Lächeln zutage zu bringen. Und schon fühlte
sie sich vorgeschoben, direkt vor die jetzt fragenden Augen des Novizen.
"Entschuldigt die späte Störung, werter Bruder. Wir sind
zwei Wanderer, die des Weges kamen und Zuflucht vor der Nacht und dem
schlechten Wetter suchen."
So unschuldig hatte sie schon lange nicht mehr dreingeschaut. Ein kleiner
Schauer lief ihr über den Rücken, wenn sie nur an ihre Aufmachung
dachte.
Der Novize schaute sie an und musterte dann ihren Gefährten mit seinem
gläubigen Blick. Sie schienen für gut befunden worden zu sein.
"Tretet ein. Habt ihr Waffen bei euch? Der heilige Innos bittet euch
sie hier abzugeben."
Aylen erschrak leicht. Sie sollte ihr schönes Schwert abgeben? Ein
kurzer Blick zu Arctus, doch dieser nickte.
"Besser für die Tarnung", raunte er ihr zu und Aylen gab
schweren Herzens ihren Einhänder ab. Die Runen hatten sie natürlich
beide tief in ihren Taschen vergraben.
"Dankeschön. Ihr könnt sie beim Verlassen wiederhaben."
Aylen schaute ihrem schönen Schwert nach, das der Novize an sich
nahm. Gut zu wissen wo sie es später wieder finden konnte.
Dann drehte sie sich zu Arctus um. "Gehen wir rein!"
(Fortsetzung auf Seite 7) |