Igor Vectrex
achdem
Igor die Tür geöffnet hatte, kam ihm ein leicht modriger
Geruch entgegen, sicher hatte lange Zeit niemand diesen Raum betreten.
Oh was haben wir denn hier? Etwas krabbelndes, achtbeiniges Etwas
lief am Boden entlang. Der Magier hob das possierliche Tierchen auf,
das sich nun auf seiner gesamten Handfläche breit machte. Die
Spinne hob drohend ihre Vorderfüße... " Ist ja gut,
ich tue dir ja nichts", sagte Igor entspannend und entließ
sie an einer der Wände und musterte den Raum. Mehrere Arbeitstische
waren hier zu sehen auf denen wild verteilt grobe Werkzeuge lagen,
der Schmiedeofen mit dem Blasebalg, ein Amboss stand in unmittelbarer
Nähe.
Alles was er so erblickte war von einer zentimeterdicken Staubschicht
überzogen. Wieder rief er sich einen Dämonen. "Ich
wünsche, dass dieser Raum aufgeräumt und gesäubert
wird, außerdem benötige ich Feinwerkzeuge zum Goldschmieden
und lasst mir ja die Spinnen, die hier hausen, leben", sprach
er zu dem Dämon.
Bei dem Gedanken musste Igor grinsen, so eine herangezüchtete
Monsterspinne wäre als Wächter bestimmt ideal, um ungebetene
Besucher fernzuhalten, zumal hier in baldiger Zeit Schmuckstücke
von nicht gar kleinem Wert entstehen sollten. Er verließ den
Raum wieder und schloss die Tür hinter sich, als er auch schon
ein Rumpeln und das Schwingen von Besen vernahm. Die Dämonen
schienen wohl nie zu schlafen.
Igor verlangte es nach dem modrigen Geruch etwas nach Frischluft
und so machte er sich auf den Weg in den Innenhof um seine Seele ein
wenig baumeln zu lassen. Als er die Tür nach draußen öffnete
bot sich ihm ein fulminantes Schauspiel. Der gesamte Innenhof war
von den unterschiedlichsten fliegenden Farben getaucht, kleine Glühwürmchen
erhellten die Arkadengänge und tanzten wie zu einer Melodie des
Mondes, der sie ihm huldigten. Igor ließ seinen Blick schweifen,
bis er auf eine Person traf... die Hüterin! Sie war wirklich
zurückgekehrt.
Ihm fielen in diesem Augenblick gerade Tonnen von Steinen von seinem
Herzen, Beliar hatte seine Gebete anscheinend erhört.
Dort stand sie, an den Brunnen gelehnt und starrte in den Nachthimmel,
die bunten tanzenden Lichter um sie herum ließen ihr Gesicht
gleich noch mal schöner erscheinen und am liebsten wäre
Igor ihr direkt um den Hals gesprungen, aber er war sowieso zu schüchtern
dafür und außerdem war sie nicht alleine, der Magier Estragon
war neben ihr und etwas weiter auf einer Bank sitzend jemand den Igor
noch nie gesehen hatte. Schon von weitem strahlte diese Person eine
Macht aus, die zwar nicht sichtbar aber deutlich spürbar war.
Er schritt gemächlich auf die Hüterin zu, ein Glück
war es dunkel und niemand konnte seine errötenden Wangen sehen,
aber dies wäre ihm nun auch egal gewesen.
Ein wenig Mut zusammennehmend sprach er die Hüterin an "Es
ist mir mehr als eine Freude euch beinahe unversehrt wiederzusehen,
ich habe zu Beliar gebetet um diesen Moment erleben zu können!"
Während er sprach verbeugte er sich kurz und sah die vielen kleinen
Verletzungen an ihrem Hals und im Gesicht, die sie zweifellos von
den Harpyien bekommen hatte. meditate blickte Igor kurz an... oh nein
diese Augen... Igor war wie zu Eis erstarrt und besann sich erst wieder
als einige Glühwürmchen vor seinem Gesicht flatterten. "Nun,
ich mag euch nun nicht weiter stören, Ihr seid sicher sehr erschöpft
und wollt ein wenig ruhen" sprach der Magier verlegen und setzte
sich unter die Esche. Er hielt seine Hände vors Gesicht und ärgerte
sich über seine Unfähigkeit beim Anblick der Hüterin
einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte ihn jetzt schon auf wundersame
Weise verzaubert...
Igor Vectrex
ls
Igor in seinem "Arbeitsraum" angekommen war, glaubte er
seine Augen betrügen ihn, dies konnte unmöglich der gleiche
Raum wie gestern gewesen sein, nicht ein Staubkorn war mehr zu sehen,
man hätte vom Boden essen können, der Schmiedeofen war gereinigt
und frisches Holz und Kohlestücke befanden sich darin, außerdem
waren jede Menge kleine Werkzeuge sorgfältig aneinandergereiht
auf einen kleinen Beistelltisch abgelegt worden. Igor erkannte mehrere
kleine Hämmer in den verschiedensten Formen, Planschen in verschiedenen
Größen, die die Form des Goldbarrens darstellten, mehrere
Punzen und handgeschmiedete Stahlmeißel, die man zum Ziselieren
des Werkstücks benötigte sowie verschiedenartig geformte,
kleine Zangen.
Auch einige neue Gerätschaften fand das geübte Auge des
Betrachters, eine Walzmaschine, die die in Planschen geformten Goldstücke
plattwalzte sowie eine Drahtwalze mit dem dazugehörigen Zieheisen,
einige Löcher waren nur 0,1 mm stark. An einem weiteren Arbeitstisch
gab es mehrere Schweifstöcke sowie eine Richtplatte und mehrere
rundgeformte Harthölzer um die Werkstücke zu wölben
oder weiter zu bearbeiten. Am Ende dieses Tisches sah er ein seltsames
Lederkissen, in das eine eiserne Gravierkugel eingespannt war, sie
ließ sich in alle Richtungen drehen, darauf war ein Kittstock
aufgekittet der die Werkstücke für Gravuren oder Ziselierungsarbeiten
festhielt.
Mit kurzen Worten gesagt, eine komplett eingerichtete Goldschmiede.
Der Magier wollte gar nicht wissen, woher die Dämonen all die
Gerätschaften in so kurzer Zeit herhatten, vielleicht war es
ihm aber auch einfach egal. Selbst ein Feldbett für den Notfall
war aufgestellt worden. "Na denn mal ran ans Werk" motivierte
sich Igor, sah nach oben und bemerkte grinsend die Spinnweben, sowie
einige dieser possierlichen Tierchen. Die Dämonen hatten sie
in Ruhe gelassen. Sehr schön.
Auf einmal fiel Igor ein, dass er ja noch nie mit Rohgold gearbeitet
hatte und es wäre eine Verschwendung, wenn etwas am Anfang nicht
gelänge, da hatte er eine Idee. Wenn er zuerst einfach die erbeuteten
Goldstücke verwendete, die sowieso schon legiert gewesen waren
und damit eigentlich nicht so wertvoll wie seine Nuggets, wäre
das nicht so schlimm gewesen. Also griff er in seine Tasche holte
eine Handvoll Goldmünzen heraus und legte sie in eine kleine
Plansche, bevor er das Feuer im Schmiedeofen schürte. Es war
schon ein leicht seltsamer Gedanke Goldmünzen einzuschmelzen,
daraus Schmuck herzustellen um diesen dann für mehr Goldmünzen
wieder zu verkaufen. Der Kapitalismus war geboren...
Igor Vectrex
gor
hatte sich auf dem Feldbett in der Schmiede kurz hingelegt, ihm taten
die Füße weh, die ganze Nacht hatte er damit verbracht
Ringe aus seinem plattgedrückten Minigoldbarren zu formen und
zu bearbeiten. Mit jedem neu angefangenem wurde er besser dabei, seine
geschickten Finger bekamen langsam ein Gefühl für das Material
und der Magier fand neue Bearbeitungstechniken, beim letzten Ring
hatte er sein Löteisen benutzt um die Rundung zu formen und dem
Ring ein konkaves Antlitz zu verpassen... dieser Ring war perfekt!
Nachdem er vollends ausgeglüht war ging Igor schnell damit zu
der Schleifapparatur und begann mit der gröbsten Scheibe das
Material auf Glanz zu trimmen. Schnell musste er die Scheibe wechseln,
bis er schließlich die feinste aufgespannt hatte. Nach einigen
Minuten, die er den Ring nun damit nass geschliffen hatte, funkelte
er in der mit Fackeln beleuchteten Schmiede. Wahrlich ein Werk, dass
man auch als Ring bezeichnen konnte und sich nun schön an seinem
rechten Ringfinger befand. Danach war er auf dem Feldbett eingeschlafen.
Nur nach wenigen Stunden ist er allerdings wieder aufgewacht, sonderlich
bequem war dieses Bett nicht und er stand auf. Der Ring blitzte an
seinem Finger und Igor entschied sich dazu seine vorigen "Versuche"
alle wieder einzuschmelzen. Bis auf den letzten der ihm wahrlich gelungen
war, waren sie alle nur Ramsch. Also schürte er das Feuer wieder
an und legte erneut die Plansche mit vielen missglückten Ringen
hinein, außerdem die Reste der plattgedrückten Fläche.
Als er hochsah erschrak er ganz kurz, eine recht große, schwarze
Spinne war gerade dabei mit einem Exemplar ihrer eigenen Spezies zu
kämpfen, sehr geschickt vollführte sie dies. Jedes Mal,
wenn die leicht kleinere Spinne angriff, hielt sie ihre unbehaarten
dicken schwarzen Beine direkt zentral vor sich und ließ alles
abprallen.
Igor musterte die Spinne genauer, große Knopfaugen besaß
sie, die unabhängig in alle Richtungen schauen konnten und direkt
darunter mächtige Werkzeuge, wie zwei große Zangen die
die Beute halten konnten, dahinter war ein kleiner Schlund und mehrere
kleine, weiße Zähne waren darin zu erkennen "Whoaa",
entließ der Magier einen kleinen Schauer der ihm durch den Körper
fuhr, es sah schon bedrohlich aus dieses Tier. Dann war es soweit,
anscheinend hatte die Spinne keine Lust mehr, die lächerlich
wirkenden Angriffe abzuwehren, schlug die Beine ihrer Gegnerin weg,
durchbrach ihre Verteidigung mit einem Satz und begann die kleinere
Spinne am Kopf anfangend aufzufressen... interessant, zumindest keine
Giftspinne, wenn sie sofort frisst... folgerte Igor aus dem Schauspiel.
Mann, hatte die einen Appetit und da kam ihm eine Idee.
Der Magier öffnete die Schublade mit der toten Ratte, packte
sie am Schwanz und legte sie auf die doch sehr stabilen Seidennetze
in einer Ecke des Raums, genau dort wo sein Kittstock mit der Gravierkugel
stand. Die Spinne bemerkte die Erschütterung, schleppte ihr Opfer
mit und näherte sich dem Rattenkadaver. Wie schnell die krabbeln
konnte, Wahnsinn. Sie beäugte das tote Vieh, ließ die andere
Spinne lose herumliegen und begann die Ratte zu fressen. Da hatte
er seinen Müllbeseitiger doch schon gefunden, langsam wurde ihm
diese schwarze Spinne sympathischer, die wie man allerdings bemerken
muss außergewöhnlich war, von ihrer Größe mal
abgesehen. Igor hatte noch nie eine komplett unbehaarte Spinne gesehen
und auch nicht solche Augen. Na ja, er war hier im Kastell und hier
liefen die Uhren nun mal halt anders. Er sah der Spinne noch ein Weilchen
zu, wie sie die Ratte vertilgte und verließ dann die Schmiede
um in der naheliegenden Badestube den Geruch von Schweiß und
Rauch loszuwerden...
Igor Vectrex
gor
betrat die Schmiede wieder und musste mit Erstaunen feststellen, dass
neues Holz und neue Kohle in dem Schmiedeofen aufgelegt war, das musste
man den Dämonen ja lassen, sie wussten immer was zu tun war.
Sehr gut so konnte er direkt beginnen. Den Goldbarren aus der Plansche
befreit, begab er sich wieder zur Walzmaschine und spannte ihn dort
ein. Die komplizierte Mechanik, die über zwei Flaschenzüge
betrieben wurde, drückte einen Stempel hinunter und gleichzeitig
wurde ein Laufband bestehend aus pechüberzogenem Fell über
einer schweren Metallplatte bewegt, das Resultat aus diesem Vorgang
und der kraftraubenden Bewegung des Antriebsrades war wiedermals ein
schönes, plattes, großes Stück Gold. Die Wälzung
hatte zudem den Vorteil, dass das Material wesentlich stabiler wurde
da die Dichte des Stoffes dabei erhöht wurde.
Dann entfachte der Magier neues Feuer im Ofen und begab sich daran
zwei gleichgroße, runde Scheiben von etwa 6 cm Durchmesser herauszuschneiden,
natürlich nicht ganz rund, das würde beim Bördeln danach
passieren, zuerst nahm er beide Scheiben und wölbte sie etwa
zu 17 Grad in den dafür vorgesehen Hartholzschalen, dafür
gab es einen speziellen Rundhammer den er auch verwendete. Nachdem
dies vollbracht war erhitzte er die gebogenen Teile und bördelte
die Ränder rund, damit keine scharfe Kante übrig blieb,
die umgebogenen Seiten wurden mit dem Löteisen fixiert, die eigentliche
Tasselscheibe war fertig. Er wiederholte den Vorgang mit der Zweiten
und bemühte sich sehr sie genau gleich groß zu machen,
was ihm durch ständige Vergleiche auch gelang.
Nun kam der schwierige Teil, er spannte eine Scheibe auf seinem Kittstock
ein und überlegte sich ein Ornamentmotiv, die Golems bei der
Befreiung in der Stadt hatte er noch gut in Erinnerung und so fing
er an das Abbild eines Golems mittels einem sehr kleinen Stahlmeißel,
einer sog. Punze in das Gold zu treiben. Es fiel Igor leichter als
er gedacht hatte, aber Gold war ein weiches Material und sehr schön
zu verarbeiten. Nach stundenlanger, kreativer Kleinstarbeit konnte
man zufrieden mit der Gravur sein, außer dem Golem in der Mitte
hatte er einen kreisrunden Rand in Runenschrift graviert:
Du bist das Wesen aus Stein
Der lebendige Fels
Geboren aus meiner Macht allein
Gehst du anderen an den Pelz...
Das kam genau mit der Rundung der Scheibe aus und war durchaus schön
anzusehen. Mittlerweile graute aber auch schon wieder der Morgen,
hatte er solange daran gesessen? Es fiel deswegen auf, weil dieser
Kellerraum einige Lüftungsschlitze enthielt, durch die die Morgensonne
strahlte und auch die große schwarze Spinne ließ sich
unter den feinen Seidenfäden blicken...
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Igor Vectrex
och
Igor war nicht wirklich müde, außerdem wollte er dieses Werk
fertig stellen, also nahm er sich die gravierte Tasselscheibe und schleifte
mit einer Rundfeile den Grat auf der Oberfläche ab, bevor er sich
die zweite Tasselscheibe vornahm. Was sollte bloß als zweites
Motiv herhalten? Was kannte er denn genau? Ein Dämon! Ja die kannte
er ja nun zu Genüge, also gravierte er einen großen Dämon
mit furchterregend langen Klauen in die weiche Goldoberfläche und
natürlich durfte auch auf dieser Scheibe keine kreisrunde Runenschrift
fehlen, die da lautete:
Allein Kraft meiner Gedanken bist du mein
sollen deine Geschicke meine Gegner blenden
Du bist Schöpfer von Schmerz und Seelenpein
niemals wirst du dich gegen mich wenden...
Nachdem auch bei dieser Tasselscheibe der Oberflächengrat durch
die Gravur weggefeilt war konnte man sich Gedanken machen welchen Werkstoff
man als zweiten verwendete. Der Magier sah sich nochmals in dem Raum
um. Ein paar Unterschränke waren noch zu inspizieren, schließlich
war dies hier vorher einmal eine normale Schmiede, da musste doch irgendwo
noch etwas zu finden sein. Im ersten Unterschrank befand sich ein Zettel
"Rohstahl" und darunter einige längliche Stücke
dessen, damit konnte er aber nichts anfangen, im zweiten Schrank waren
einige Brocken Messing verteilt die später vielleicht noch gebraucht
wurden. Im dritten schließlich waren Kupfer und Zinn zu finden.
Moment mal Kupfer und Zinn ergab Bronze wie er gelernt hatte, allerdings
musste man vorsichtig sein denn Bronze neigte dazu sich beim Guss zu
entmischen und das sollte ja nicht passieren. Man unterschied die Bronze
in Glockenmetall, einmal das Glockengut etwa zu 80% aus Kupfer und 20%
aus Zinn und die Glockenspeise zu etwa 60% aus Kupfer und 40% aus Zinn
sowie dem Kanonenmetall dass aus 90% aus Kupfer und nur noch aus 10%
Zinn bestand. Je höher der Kupferanteil war desto elastischer und
zäher wurde das Material genauso wie die chemische Beständigkeit
wuchs. Der Magier entschied sich für die Glockenspeise und füllte
dementsprechend zwei Planschen, die Einschmelzung jedoch dauerte noch
länger als bei Gold, da es die Reinstoffe waren und kein bereits
halblegiertes Metall wie seine Münzen, deren Schmelztemperatur
dadurch niedriger war.
Sehr vorsichtig goss er also die 40% Zinn in das flüssige Kupfer
und wartete, bis sich die Flüssigkeiten chemisch gebunden hatten,
bloß nicht rühren, das wäre fatal gewesen. Aber er schien
Glück gehabt zu haben, sprach für die Qualität des Materials.
Igor nahm die Plansche mit dem Gemisch heraus und stellte sie auf den
Arbeitstisch, eine kleine Marmorplatte, die in das Holz eingearbeitet
war schien prädestiniert dafür zu sein. In einer weiteren
Schublade fand der Magier eine kleine Schöpfkelle und ein kleines
Schabinstrument mit Holzgriff. Damit goss er die Gravuren der Tasselscheiben
aus und streifte die Fugen mit dem Schaber glatt, bevor die flüssige
Bronze eine Verbindung mit dem Gold eingehen konnte. Durch den höheren
Kupferanteil ergab sich eine schöne rötliche Färbung.
Nach weiteren zwei Stunden waren beide Tasselscheiben fertig und ausgekühlt,
sodass Igor sie schleifen konnte bis sie glänzten. Er war sehr
zufrieden mit seiner Arbeit, denn die fertigen Scheiben konnten sich
sehen lassen, rotgolden spiegelte sich das Licht der Fackeln auf der
schimmernden Oberfläche und nicht ein Grat war mehr zu spüren.
Der Magier legte die beiden Meisterwerke auf die Richtplatte und merkte
erst jetzt wie müde er doch war, als er wieder mal hoch sah. Die
Spinne schien ihn die ganze Zeit beobachtet zu haben, denn sie verharrte
fest an dem Punkt, wo er sie zuletzt wahrgenommen hatte und ihre Augen
musterten die Werkbank und ihn gleichzeitig, aber Igor war zu müde
um das zu bemerken und er begab sich auf das Feldbett um kurz auszuruhen,
denn das komplizierteste an seinem Vorhaben kam ja noch, eine Kette,
die die beiden Tasselscheiben verbinden sollte...
Igor Vectrex
angsam
gewöhnte sich Igor wohl an das bescheidene Feldbett denn er hatte
ruhig und entspannt geschlafen, sein Schmiedefeuer glimmte noch und
sein neues Werk näherte sich der Vollendung. Zum ersten Mal musste
er nun die Drahtwalze bedienen, aber so wirklich schwierig schien es
nicht, auch bei der Apparatur konnte man in etwa die Größe
bzw. Stärke des Drahts einstellen, er nahm sein restliches Gold
und führte es zum Einlauf der Maschine, danach bewegte er auch
hier ein Antriebsrad welches allerdings noch etwas schwerer ging als
das der Walzmaschine. Hier benötigte man schon richtig Kraft, doch
einmal angetrieben wurde es mit der zeit leichter. Um den Draht jetzt
noch richtig zu runden musste man ihn durch das Zieheisen führen,
welches vorher erhitzt wird, mit einer speziellen Flachzange packte
Igor also den Anfang des Drahtes und zog einen schön langen 1mm
runden Golddraht heraus, das war ja wirklich einfach.
Nun kam die mühseligste Kleinarbeit überhaupt, mittels Stechbeitel
wurden gleich lange Stücke geschlagen die man dann unter Erhitzung
zu einem kleinen Oval bog, die Enden verlötete und dann hieß
es jede einzelne Öse zu feilen, dafür war die ovale also und
zum Abschluss leicht gegenseitig zu verdrehen, daran saß er sicher
ganze drei Stunden um eine Kette von etwa 30 cm herzustellen, aber die
ließ sich ja nun nicht mehr schleifen, zumindest nicht an jeder
Stelle gleich. Der Magier suchte die Regale ab, bis er einen rechteckigen
Behälter mit einer Flüssigkeit vorfand, deren Geruch auf eine
alkoholische Verbindung vermuten ließ und ohne lange zu überlegen
legte er die Kette hinein. Nun nahm er die Tasselscheiben nochmals und
lötete jeweils einen kleinen Pinn auf die Rückseite der Scheiben
an denen die Kette später befestigt werden sollte, sowie kleine
dünne Steckvorrichtungen um sie später am Stoff der Kleidung
befestigen zu können.
Nach einer kurzen Verschnaufpause und ein paar Streckübungen holte
er die Kette aus ihrem Bad und er hatte sich nicht getäuscht, sie
erstrahlte in Glanz, ein Wunder der Chemie. Kurz unter Wasser noch mal
abgewaschen war sie bereit um an die Scheiben gelötet zu werden...
der letzte Arbeitsschritt... seine Tasselscheiben waren fertig mit schönen
Gravuren die rötlich zwischen dem Gelbgold hervorstachen, ein Werk
auf das man stolz sein konnte... aber zum Verkaufen viel zu schade.
Hatte er nicht etwas versprochen? Ja, er hatte. Mit etwas Wehmut im
Herzen rief er sich einen Dämon, der sich kurz darauf materialisierte.
"Bringe dieses kleine Meisterwerk in das Gemach des neuen Hohepriesters
Olirie und richte ihm aus er solle es als Geschenk eines treuen Schüler
Beliars als Zeichen seiner Anerkennung annehmen "... So soll es
geschehen, Sterblicher... hallten die Worte des Dämons in Igors
Schädel und schon flatterte er davon. Da gingen sie hin, seine
schönen Tasselscheiben in denen man sich beinahe spiegeln konnte.
Igor Vectrex
in
neuer Schmöker für kunstvollere Schmiedetechniken war schnell
gefunden und eröffnete dem Magier einiges was er noch nicht wusste.
Er las über eine sehr alte Technik des Einlegens (Intarsie) mit
einer bestimmten Fassungsart, das Cloisonne. Auch sehr interessant klang
das opus interrasile, einer Durchbruchsarbeit. Beide Techniken in einem
Stück einzusetzen klang nach einer neuen Herausforderung, derer
Igor sich bald widmen würde, vorerst wollte er die Schmiede erst
mal wieder aufräumen.
So ging er schnell in den Keller, räumte alle Werkbänke auf,
sammelte alle Metallreste und warf sie in eine Plansche. Seine fertigen
Stücke legte er demonstrativ auf einen Auslagetisch nahe der Tür
und blickte mal wieder nach oben, nichts zu sehen von der Spinne, aber
das Rattengerippe fiel in seinen Blick, da ließe sich doch bestimmt
noch was draus machen, irgendwie fehlte es dem Raum an einem gebührenden
Schmuckstück. Der Magier hatte eine Idee und schmolz das Gemisch
aus allen Metallresten in der Hoffnung, dass es sich überhaupt
vermischen würde und nahm vorsichtig das Gerippe aus den Seidennetzen,
jeder Knochen war erhalten und noch an seinem Platz, selbst die Zähne
waren noch dran.
Als das undefinierbare Gemisch aus Gold, Bronze, Kupfer und Zinn leicht
zähflüssig war, tauchte er das Gerippe hinein und holte es
einige Augenblicke später wieder heraus, ein leichter Metallfilm,
der schnell anzog, überzog nun das Gerippe. So wiederholte er diesen
Vorgang jedes Mal, wenn das Metall leicht abkühlte bis die einzelnen
Rippen etwa einen halben Zentimeter dick waren, nun hatte er eine Metallratte,
die leicht silbrig glänzte, selbst ein neues Gesicht war entstanden.
Er stellte das metallene Gerippe auf eine Werkbank damit es dort auskühlen
konnte und verließ die Schmiede wieder.
Unten im Keller merkte er gar nicht, dass es ein richtig warmer Tag
war und so befand er sich auf erstem Weg in sein Zimmer um die Robe
anzuziehen, die einiges luftiger war als seine Hose um sich danach im
Refektorium eine Karaffe kalten Früchtetees, zwei Gläser und
ein Tablett zu bestellen mit dem er sich in den Innenhof begab und sein
kaltes Getränk genoss. Der Magier Estragon war bereits hier mit
einer für ihn sonderlichen Beschäftigung, er malte auf große
Leinentücher irgendwelche Schriftzeichen. Der sonst so ernst wirkende
Pfeifenraucher schien sehr vertieft dabei zu sein, als würde er
dabei in sein Innerstes hineinhorchen und seine Umwelt gar nicht wirklich
bemerken. Igor sagte nichts um ihn nicht zu stören, sondern warf
einen Blick in den Himmel, die Sonne blendete zwar, doch irgendwie war
ein kleiner dunkler Punkt darin zu sehen, der vorher nicht da war. Wie
seltsam, dachte der Goldschmied, als wäre ein Stück hinausgestochen
aus der Sonne wie bei dem opus interrasile...
Igor Vectrex
ie
sehr bleiche Haut Igors vertrug nicht soviel Sonne, denn sie brannte
bereits recht stark und seine Hose war auch schon längst trocken,
deswegen zog er seine Robe wieder an, die noch zusammengelegt auf einer
Bank gelegen hatte. Nach der körperlichen Ertüchtigung am
Morgen sehnte es ihn wieder mal nach ein wenig geistiger Arbeit, er
hatte doch noch eine sehr interessante Lektüre in der Schmiede
liegen. Um ein wenig seine bisher erlernten Fähigkeiten zu vertiefen
und verinnerlichen schlich er also lautlos in die Schmiede und schnappte
sich den Schmöker um im Refektorium bei einer Tasse Tee zu lesen.
Die Liebes- und Fluchrituale übersprang er diesmal, denn Liebeszauber
waren viel zu anstrengend, denn sie mussten regelmäßig erneuert
werden, viel zu viel Arbeit. Und verfluchen wollte er auch keinen -
noch nicht.
Stattdessen entdeckte er ein viel interessanteres Kapitel - Nekromantie.
Ein Ritual reizte ihn besonders, die Wiederbelebung von toten Überresten,
wenn das nicht mal spannend war. Das Ritual selbst war nicht mal schwer,
man benötigte einen Platz mit einem Pentagramm auf das die Knochen
gelegt werden sollten, etwas Staub aus magischem Erz und man musste
diesen Text lesen können, es war ein Gesang in der dunklen Sprache
Beliars. Die Bibliothek hatte nicht viel über diese alte Sprache
ausgespuckt, nur etwas über die Aussprache hatte er gefunden, nicht
eine einzige Übersetzung. Aber was sollte es, damit verhielt es
sich ähnlich wie bei Schriftrollen, ein nicht Magiebegabter versuchte
auch nicht zu ergründen wie das funktionierte, er bediente sich
ihrer einfach, genauso sollte er hier auch verfahren.
Mit einem dämonischen Grinsen verließ Igor das Refektorium,
das wollte er doch mal ausprobieren und lief wieder in die Schmiede.
Der kleine Beistelltisch schien ideal zu sein, etwa 40 mal 40 cm war
seine Fläche. "Ja, das müsste gehen!" sagte er zu
sich selbst. Nun würde er doch den Rohstahl gebrauchen können,
der hier noch in Massen gelagert war. Der Magier war nun nicht mehr
zu bremsen, er schmolz einiges von den länglichen Stahlstücken
ein, in seiner größten Plansche die er besaß und ließ
ihn abkühlen, danach noch leicht warm presste er ihn in der Walze
platt und hatte nun eine etwa 30 mal 30 cm Fläche. Mit einer großen
Punze und einem Hammer stach er ein kreisrundes Objekt heraus, dass
inmitten immer wieder an den richtigen Stellen durchbrochen wurde, das
Pentagramm nahm langsam Formen an. Endlich war es soweit, auf einer
Seite lötete Igor noch einige Spitzen an und hielt sein Werk unter
Wasser, damit es gehärtet war. Anschließend nahm er seinen
dicksten Hammer und trieb es in den Beistelltisch bis die Oberfläche
wieder glatt war. Nun ähnelte das Ganze einem Opfertisch, das Pentagramm
glänzte silbrig in dem schwarzen Holz. Ein Dämon musste her,
der sich auch kurz darauf materialisierte...
(Fortsetzung auf Seite 8)
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