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Inhalt 06/03
Sonderausgabe


Die Vision des Arson
gepostet am 16.12.200235
 

Arson

unkelheit. Schwarze Türme streckten ihre dicken, klobigen Finger in den schwarzen Nachthimmel, verdeckten die schmale Sichel des Mondes mit ihren rötlichen Schieferspitzen. Ein kühler Wind umwehte das wuchtige Ungetüm der finsteren feste, ließ die Flammen der kleinen Lagerfeuer rund um seine mauern zittern und tanzen. Die trüb über den Himmel kriechenden Wolken blickten auf eine Landschaft der Stille hinab, das leise Knacken der brennenden Scheite und das gedämpfte Gemurmel vereinzelter Stimmen bildete die einzige Abwechslung zum heiseren Wispern des Windes. Verwundert blickte Arson sich um. Wo war er hier? Mißtrauisch musterte er die zahlreichen einfachen Holzhütten, die sich schutzsuchend in den Schatten der Burg duckten, kleine, grob gezimmerte Gebilde, so wehrlos wie die Menschen die sie bewohnten. Er kannte diesen Ort. Doch woher? Ein Schleier aus Blei schien auf dem Gedächtnis des hohen Novizen zu liegen, schwer und schwarz lastete er auf seinen Erinnerungen, verhinderte dass Aron fand wonach er suchte. Langsam ging der junge Diener des Schläfers weiter. Ging er? Nein, er schwebte. Sein Körper schien aus purem Licht zu bestehen, ein winziger, grell leuchtender Ball aus Energie, pure geistige Materie. Der Stoff, aus dem die Seelen waren. Normalerweise hätte Arson sich über den Verlust seiner Glieder wundern müssen, doch er tat es nicht. Diese surrealistische Welt schien ihre eigene Gesetze zu haben, obwohl die Menschen hier - zumeist abgerissen aussehende Gestalten, doch der hohe Novize entdeckte auch einige kräftig gebaute Kämpfer in roten Uniformen - sich normal bewegten und verhielten, schienen sie den winzigen Lichtball, der das gesamte Sein des Berserkers verkörperte, nicht zu bemerken. Ungehindert huschte die Arson-Kugel durch den von hölzernen Palisaden umringten äußeren Abschnitt dieses Ortes, glitt dann widerstandslos durch eines der vergitterten Fenster der Burg. In dem nur schwach erhellten Raum herrschte völlige Stille. Arson erkannte die schwarzen Umrisse einer schmalen Gestalt auf einem der Betten, ihre tiefen Atemzüge verrieten, dass sie schlief. Langsam schwebte der Energieball näher, ein gleißendes Glühwürmchen in dem finsteren Raum, sonderbar hell, doch anscheinend von niemandem zu sehen. Es war eine Frau. Ruhig lag sie da, der entspannte Ausdruck eines ruhigen Schlafes lag auf den jungen, zarten Gesichtszügen. Sie war hübsch, wenn auch keine Schönheit. Arson fand sie auf Anhieb sympathisch. Vielleicht konnte sie ihm helfen, sich in dieser merkwürdigen Welt zurechzufinden, überlegte er mit der gleichen sonderbaren Logik, die ihm seine Lichtgestalt als völlig normal erscheinen ließ. Wenn er sie nur wecken könnte... Zuckend und blitzend huschte der Arson-Ball um die Nase des Mädchens, winzige, schwach knisternde Blitze wanden sich um das glühende Energiezentrum, immer weiter steigerte der hohe Novize sich in eine Mikroapokalypse aus tanzenden Lichtstrahlen, versuchte mit nicht existierenden Fingern nach der Dame zu greifen. Und sie erwachte! Arson konnte es kaum glauben. Er hatte es tatsächlich geschafft! Eine Welle aus Glück und Erregung befiel den jungen Mann. Sie würde ihm sicher weiterhelfen können. Endlich bekam er Antworten auf all seine Fragen. Fröhlich glühend schwebte er vor dem Gesicht der Frau auf und ab, bombardierte sie mit Fragen, die seinen Geist aufgrund des Mangels an Artikulationswerkzeugen nie verließen. Erst Sekunden später merkte er, dass das hübsche Ding ihn nicht einmal anschaute. Ihr verwirrt-erschrockener Blick war starr zum Fenster gerichtet, ihre Unterlippe zitterte fast unmerklich leicht. Was hatte das Mädchen bloß? Neugierig wandte Arson seine unsichtbaren Kugelaugen zu der vergitterten Öffnung in der Wand, ein greller Impuls ließ seine Energiegestalt Sekundenlang vor Schreck aufglühen. Draußen, jenseits der eisernen Stäbe, hatte sich die Dunkelheit der Nach in ein heißes, flackerndes Glühen verwandelt, gleißende orangefarbene Lichtfinger tasteten durch das Fenster, malten ein schaurig tanzendes Rechteckmuster an die gegenüberliegende Wand. Dann spürte der hohe Novize es auch. Ein leichtes Beben ging durch das mit grobem Holz getäfelten Zimmer, schwere Füße trappten über den Flur vor der massiven Tür, von irgendwo erklang gedämpftes Geschrei. Ein Geräusch wie ein Donnerschlag ertönte, und das Wanken und Beben der Wände verstärkte sich für einige Sekunden so stark, dass die junge Frau fast das Gleichgewicht verloren hätte. Auf unsicheren Füßen kämpfte sie sich zum Fenster, blickte aus neugierigen Augen hinaus in die glühende Nacht. Noch im selben Sekundenbruchteil schoss ein mächtiger Feuerstrahl durch die schmelzenden Gitter des Fensterrahmens, auf einmal war die Luft im Raum kochend heiß, Licht von so unglaublicher Intensität durchflutete den Raum, dass Arson erblindet wäre, hätte er menschliche Augen besessen. Das Schreckliche Schauspiel dauerte nur wenige Augenblicke, dann verebbte das brüllende Feuer so schnell, wie es herangebraust gekommen war. Das junge Mädchen stand noch immer vor dem seltsam deformierten Fenster, glühender Stein tropfte zischend auf ihre verkohlten Handflächen, ihr Kopf glich einem verbrannten Apfel, das einstmals hübsche Gesicht hatte sich in eine skelettierte Landschaft aus Staub und Asche verwandelt. Arson schrie.

   
Lautlos jaulte die kleine Energiekugel ihr Entsetzen in die rauchgeschwängerte Luft, ihr einstmals ruhiges Glühen war nunmehr ein panisches Zucken aus gleißenden Lichtreflexen. Er musste hier weg! Blitzschnell raste der Novizenball davon, drang funkensprühend durch das Schlüsselloch der großen Eichentür, eilte gedankenschnell durch die Gänge der Burg, schoss schließlich durch die geöffnete Haupttür hinaus auf den weitläufigen Hof. Die Apokalypse schien über die Menschheit gekommen sein. Völlig fassungslos blickte der hohe Novize auf das Inferno aus Feuer, Rauch und Zerstörung, beobachtete mit fast teilnahmsloser Ruhe die in höllischer Hitze verglühenden Männerleiber, die ziellos umhertaumelnden brennenden Gestalten, den Berg aus schwarzem Fleisch. Kampfgeschrei drang gedämpft an sein Ohr, irgendwo brüllte etwas auf, ein gewaltiger, endgültiger Laut, so intensiv, dass er die Wände der Burg selbst zum schwanken zu bringen schien. Überall kämpften Männer gegen die allgegenwärtigen Flammen, stiegen mit verbitterter Entschlossenheit über die verkohlten Überreste ihrer Kameraden, nur um Sekunden später ebenfalls von dem brennenden Atem der Hölle erfasst zu werden. Der finstere Nachhimmel war rauchgeschwängert, in dicken, fettigen Schwaden reckten sich die pechschwarzen Säulen gen Himmel, vermischten sich dort mit der schwarzen Wolkenmasse zu einer einheitlichen Rußdecke. Jetzt, in diesem erschreckenden Bild der Verwüstung, erkannte Arson, wo er sich eigentlich befand. In der Burg des Alten Lagers. Schreiend riss Arson die Augen auf. Seine panisch geweiteten Pupillen blickten auf die grob gezimmerte Decke seiner Holzhütte. In der Dunkelheit verschwanden die breiten Rillen zwischen den einzelnen Brettern in gestaltloser Schwärze, nur vereinzelt drang das fahle Licht des Mondes in den kleinen Raum der Unterkunft. Langsam setzte der hohe Novize sich auf, seine Brust hob und senkte sich wie ein Blasebalg, ein dünner Schweißfilm überzog die braune Haut des jungen Mannes. Allmählich fand er in die Realität zurück, die bedrohlichen Schleier der Vision fielen nach und nach von seinem Geist. Was, beim Schläfer, hatte er da gerade geträumt? Er war in der Burg gewesen…sie hatte gebrannt. Für einen Augenblick wurde die Erinnerung an das Leid und den allgegenwärtigen Tod übermächtig, eine Welle von Übelkeit durchflutete den Körper des hohen Novizen, so dass er sich mit der rechten Hand auf dem groben Holzboden abstützen musste, um nicht haltlos zusammenzusacken. Irgendwo in seinem Hinterkopf begann sich ein Gedanke zu formen, so klar und von so schmerzhafter Endgültigkeit, dass Arson sich ihm nicht verschließen konnte. Der Schläfer. Er war schuld. Kaum zuckte die Erkenntnis durch die strapazierten Windungen seines Hirns, da fügten sich die Eindrücke der letzten Tage zusammen wie Fragmente eines komplizierten Puzzles, welches nun, in seiner Gesamtheit betrachtet, endlich Sinn ergab. Es war alles falsch gewesen. Der Glaube. Der Dienst am Schläfer. Die Lehren. Mit bedächtigen Bewegungen erhob Arson sich von seiner Liege, mit sorgfältigen, routinierten Handgriffen befestigte er sein Schwert an seinem breiten Ledergürtel, begab sich dann in eine der dunklen Raumecken, um die dort abgestellte Truhe zu öffnen. In ihr hatte der hohe Novize den Mantel aus Wolfsfell, die Beute seines Einbruchs in der Burg verstaut. Eines Einbruchs im Namen des Wahnsinns. Mit einem metallischen Klicken schnappte der stählerne Verschluss des Kleidungsstückes um den Hals des hohen Novizen, dann verließ er mit weit ausgreifenden Schritten seine Hütte und damit den Platz, der so lange für ihn eine Heimat gewesen war. Er hatte nicht vor zurückzukehren. Doch vielleicht konnte er bei seinem Aufbruch noch einige weitere Brüder von der Unsinnigkeit ihres Glaubens überzeugen, ihnen von der Vision erzählen, die er gehabt hatte. Sein erstes Ziel war der hohe Novize Artifex…
Arson und die Sithi
gepostet am 14. und 15.06.2003
  Arson

m selben Abend... Langsam schlenderte Arson über die verlassenen Kieswege der Stadt des ewigen Sommers, eine einsame Gestalt im dämmrigen Dunkel der gewaltigen Kuppelhöhle. Längst war das gelbliche Gleißen der warmen Energiekugel über dem Tempelberg zu einem blassweißen Glimmen abgeschwollen, simulierte nun die kühle Finsternis einer Mondnacht. Das lebhafte Zwitschern der Vögel war dem leisen Zirpen der im weichen Gras hockenden Grillen gewichen, bildete zusammen mit dem flüsternden Rauschen der sanften Sommerbrise in den Blättern eine ruhige Geräuschkulisse, die die Erhabenheit dieses magischen Ortes auf dezente Weise unterstrich. Arson mochte die Klänge der Nacht. Oft war er in den letzten Monaten zu ähnlichen Spaziergängen aufgebrochen, um stundenlang in der Dunkelheit umherzuwandern und über sein Schicksal, den Lauf der Welt und das Leben im Allgemeinen nachzudenken. Um diese Zeit waren sämtliche Sithi bereits in ihre Häuser eingekehrt, um den Tag dort im Schein sanft glühender Kristallbrocken, der die Tuchgebäude des Schönen Volkes in blinkende Lichtpunkte innerhalb des allumfassenden Dunkels der Nachthöhle verwandelte, ausklingen zu lassen. Heute jedoch dachte der Paladin weniger über die tiefsinnigen Fragen der Existenz nach, sondern erfreute sich einfach an dem Gedanken, seinen ersten Kampf in Si'injan'dre gewonnen zu haben. Noch immer konnte er die wundervollen Tonabfolgen hören, mit denen die Zuschauer auf den Rängen ihren Beifall zeigten, noch immer spürte er jene elektrisierende Anspannung in jeder Faser seines Körpers, die ihn durchflutet hatte, als er seinem Kontrahenten das Schwert aus den Händen schlug. Schweigend grinste Arson in die Nacht. Ja, es war ein großartiger Augenblick gewesen, einer jener Momente, die einen Menschen über die Grenzen seines eigenen Wesens hinaushoben, ihn für die Dauer eines Lidschlages in die höchsten Höhen erhoben, um ihn dann, gestärkt in Charakter und im Willen, wieder in die Sphären der Erde zurückschickten. Doch trotz allem war es ein anstrengender Tag gewesen. Der Kampf hatte große Kraft gekostet, Arme und Beine des sterblichen Klingentänzers schmerzten noch immer, voraussehbare Nachwirkungen der extremen Belastungen, denen sie in den Nachmittagsstunden ausgesetzt waren. Dies war auch der Grund, warum Arson nun vor der schwarzglitzernden Fläche des ovalen Sees stand, der sich im westlichen Bereich der Höhle befand. Der sanfte Wind kräuselte die spiegelglatte Oberfläche des Wasserkörpers kaum, lediglich hier und da war ab und an eine Unregelmäßigkeit in der Reflexion der bleichen Mondkugel am Himmel zu erkennen. Ein Bad, ja, das würde nun genau das Richtige sein. Ohne Eile löste Arson die Schnallen seiner weißen Klingentänzerrüstung, legte Gurte, Rock und Stiefel ordentlich zusammen, um dann langsam in das kühle Wasser hineinzuwaten. Ein fröstelnder Schauer kroch das Rückrad des Paladins hinauf, dann hatte sich sein nackter Körper an die Temperatur gewöhnt, und der Menschenkrieger beugte sich vor, um einige Hände voller Wasser zu schöpfen und sich das kühle Nass über Brust und Schultern zu spritzen. Wieder einmal fragte er sich, woher dieses Wasser überhaupt kam. Unterirdische Flüsse? Künstlich angelegte Rinnen? Oder vielleicht... "Oh, hier bist du." Wie von einer Biene gestochen fuhr Arson herum, blickte die bleiche Gestalt am Ufer des Sees mit vor peinlich berührter Überraschung geweiteten Augen an. Allein der Klang der Stimme hatte ausgereicht, um dem Paladin zu sagen, wer ihn gerade bei seinem nächtlichen Ausflug ins Wasser störte, doch trotzdem zuckte der hochgewachsene junge Mann erneut zusammen, als sein Blick das zarte, wunderschöne Gesicht einer gertenschlanken Sithidame erfasste. War es Belustigung, die die silbrigen Augen der Sitha zum Funkeln brachte? Panisch schaute Arson an sich herab, nur um anschließend ein stummes Gebet des Dankes an alle Götter dieser Welt zu schicken, als er die spiegelnden Wasserfluten sah, die seinen Leib bis knapp unter den Bauchnabel umspülten. Deutlich erleichtert hob er den Kopf. "Ich..ähhh...wollte noch baden..." Aditus linke Braue hob sich, das gelassene Lächeln wurde um eine Winzigkeit breiter. "Du badest mitten in der Nacht?" -"Nunja..." Der Paladin duckste ein wenig herum. "...abends ist das Wasser...angenehmer." Die Sithifrau, schaute ihn weiter mit ihrem undeutbaren Gesichtsausdruck an, trat dann zu Arsons großer Beunruhigung näher an das Seeufer heran. "Wirklich? Das möchte ich ausprobieren." Der Menschenkrieger spürte, wie sein Herz einen schmerzhaften Sprung machte, als seine Gefährtin ihr dünnes Seidenkleid mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung löste. Mit einem leisen Rascheln glitt der Stoff an ihren Körper herunter, um dann nahezu lautlos in das weiche Gras zu sinken. Arsons Körpertemperatur stieg ins Unermessliche, sein Kopf nahm die Farbe einer überreifen Tomate an und er fürchtete, dass sich jeden Moment zischende Schwaden verdampften Wassers um seinen Leib kräuseln müssten, so glühend heiß war ihm zumute, während er seine Augen vergeblich von dem Anblick der nackten Sitha zu lösen versuchte. Innos sei tausendmal für das Wasser gedankt, würde der See an dieser Stelle auch nur einen Zentimeter seichter sein, so stünde der Paladin nun vor einem wirklichen Problem. Mit offenem Mund und einem Amok laufenden Herzmuskel sah Arson seiner Gefährtin dabei zu, wie sie an das Ufer herantrat, sich langsam hinunterbeugte, um sich glitzernde Wassertopfen aus hohlen Händen über ihren makellosen Körper zu sprenkeln. Erst als das kühle Nass über sämtliche ebenmäßig weißen Rundungen perlte, schritt die Sitha weiter in den See hinein, um sich dem reglos dastehenden Menschen lächelnd zu nähern. "Du hast Recht, abends ist es wirklich angenehmer." Arson konnte nur stumm schlucken. Aditu stand nun direkt vor ihm, er konnte die Wellen spüren, die jede ihrer Bewegungen im Wasser verursachten, roch den Duft ihres Haares, sah das Spiel des Mondlichtes auf ihrem glitzerndem Körper. Seine Hände zitterten, seine Muskeln waren verkrampft, während ein kleiner Dämon innerhalb seines Kopfes um die Kontrolle über seinen Leib kämpfte. Der Drang, sie zu berühren, sie einfach an sich zu reißen und mit ihr zu machen, was er schon so lange mit ihr hatte machen wollen, war fast übermächtig. Sie waren allein, niemand würde es bemerken. Sie war zu nah, um sich ihm entziehen zu können, und hatte er sie ersteinmal gepackt, konnte sie seiner Kraft nicht mehr entrinnen. Der Menschenkämpfer schloss die Augen. Nein, er würde nichts dergleichen tun. Er war ein heiliger Krieger, er hatte sein Leben dem Licht verschrieben. Er würde dieser Frau kein Leid antun. Leider schien die Sitha regelrecht danach zu verlangen, dass Arson die Kontrolle verlor. "Wolltest du baden, oder wolltest lediglich im Wasser herumstehen?" Aditus Lächeln war von solch einer Schönheit, dass Arson sich fragte, ob es nicht zu viel für seinen sterblichen Geist sein würde, die Sitha weiter anzusehen. Andererseits, hatte er eine Wahl? Bevor er eine Antwort geben konnte, hatte die Dame ihre nackten Arme auf seine Schultern gelegt und drehte ihn mit sanfter Bestimmtheit herum, so dass er nun mit dem Rücken zu der Sitha stand. Feingliedrige Finger strichen ihm durch das lange Haar. "Dein Schopf ist nun schon beinahe so lang wie der meines Bruders. Du wirst immer mehr zu einem von uns, mein süßer Arson." Langsam fuhren die Finger Arsons Wirbelsäule entlang, glitten dann über die Seiten, um zwischen den Armen des Paladins hindurchzugreifen und über die bebende Brust des Kriegers zu streicheln. Bei jeder Berührung der Sithifrau zuckte ein komplettes Universum voll gleißender Hitze durch den Leib des Mannes. "Deine Muskeln sind größer als die der Sithimänner. Ihr Menschen seid wirklich sehr stark." Aditu legte ihren Kopf von hinten auf Arsons Schulter, so dass der süße Atem der Sitha über Ohr und Wange des heiligen Streiters strich. "Du hast wirklich gut gekämpft. Und du hast gewonnen." Aditus Stimme senkte sich zu einem leisen Flüstern, sanft und verführerisch wie ein Frühlingshauch. "Erinnerst du dich, dass du mich gefragt hast, welchen Preis der Sieger eines Kampfes erhält?" Dem Paladin drohte schwarz vor Augen zu werden. Laut rauschte das Blut in seinen Ohren, das Herz pochte wie verrückt, schien jeden Augenblick aus der Brust des Mannes springen zu wollen. Nur unter Mühe schaffte er es überhaupt, seinen Mund zu öffnen und einen halbwegs artikulierten Laut von sich zu geben. "Ja..." Aditus Hände waren zwei elektrisierende Schlangen der Verführung, deren liebkosende Berührungen sich nun langsam dem Wasserspiegel entgegensenkten. "Soll ich dir zeigen, welcher Preis für dich bestimmt ist, mein starker Mensch?" Arson keuchte auf. Um ihn herum begann sich die Welt zu drehen, verwandelte sich in einen gleißenden Kreisel der Erregung. Bevor auch der letzte Rest seiner keuschen Zurückhaltung unter den massiven Attacken der Sitha zusammenbrach, schaffte er es noch ein letztes Wort zu hauchen. "Jaaa...." Das Universum zog sich zusammen zu einem einzigen Gefühl unendlich verdichteter Lust, eine Springflut der Ekstase, in der Arsons Geist nicht mehr war als ein haltlos dahintreibender Ast. Der Paladin hatte sein ganz persönliches Paradies gefunden. Jetzt würde ihn selbst der Tod nicht mehr schrecken können…

Arson

"nna'dai, Arson!" Mit einem anmutigen Satz sprang Jiriki nach hinten, brachte sich somit aus der Trefferzone des heransausenden Stahlschwertes. Nahezu lautlos setzte er einige Meter hinter seinem vorherigen Standpunkt auf dem Arenaboden auf und hob beide Hände zu einer beschwichtigenden Geste. "Du brichst mir meine Hände." Arson ließ seine Waffe sinken und starrte den lächelnden Sitha mit leicht verlegenem Gesichtsausdruck an. Hatte er tatsächlich so hart zugeschlagen? "Entschuldige bitte, ich war...in Gedanken." Jiriki stellte sein Schwert im Schatten eines Marmorfelsens ab und trat an den Menschenkrieger heran. "In Gedanken? Hatten sie vielleicht etwas mit meiner Schwester zu tun?" Das entwaffnende Lächeln des Unsterblichen trieb dem Paladin die Schamesröte ins Gesicht. Bei allen Göttern, wieso schien eigentlich jeder über die Liebeleien zwischen Aditu und ihm Bescheid zu wissen? Seit jener nächtlichen Seebegegnung vor einigen Wochen hatte es sich mit blitzartiger Geschwindigkeit herumgesprochen, dass die Sithifrau allem Anschein nach nicht nur rein geistig an dem sterblichen Krieger interessiert war. Umgekehrt war der Fall ebenso klar, längst hatte Arson sich eingestanden, dass er sich in Aditu verliebt hatte. Die wunderschöne Sitha hatte ihn vom ersten Tage an mit ihrer Art verzaubert, ihre grazile Anmut, die überirdische Schönheit und die offensichtlich überragende, erhabene Intelligenz, die jedem Mitglied des Schönen Volkes zu eigen sein schien machten sie für den auf dem Gebiet der Liebe völlig unerfahrenen Arson zu einem Sinnbild für das perfekt Weibliche, Unerreichbare. Nur dass der Krieger es eben doch erreicht hatte. Arson lächelte. Warum sollte er sich dafür schämen? "Ja, in der Tat, das hatten sie." Jiriki lachte, begann dann langsam auf den von riesigen Säulen flankierten Ausgangskorridor zuzuschreiten. Der Menschenkämpfer steckte sein Schwert in die Scheide und gesellte sich zu ihm. Schweigend spazierten sie über die blankpolierten Marmorfliesen, lauschten dem leisen Flappen der Seidenwimpel, während das durch die hohen Seitenfenster hereinfallende Licht ihre langen Haarschöpfe glänzen ließ. Schließlich war es Jiriki, der die Stille mit seiner sanften Stimme durchbrach. "Mondblüte ist noch sehr jung, für unsere Begriffe gerade erst dem Kindesalter entwachsen." -"Das ist mit bewusst, sie hatte es mir gegenüber erwähnt. Nun, ich bin ein Mensch, und obwohl ich für die Begriffe meines Volkes schon längere Zeit ein Mann bin, so bin ich doch deutlich jünger an Jahren als deine Schwester." Jiriki nickte. "Ich wollte damit auch nicht andeuten, dass du und sie nicht zusammen sein dürft. Im Gegenteil, es freut sowohl mich als auch Erste Großmutter, dass du dein Glück in Jao'y'tinukeda'ya gefunden hast. Allein Drukhi sieht dir noch immer mit Misstrauen entgegen, aber lass dich davon nicht abschrecken. Du hast bewiesen, dass du würdig bist, an diesem Ort zu leben." Die beiden Gefährten erreichten das Ausgangsportal und schritten hinaus in den warmen Sonnenschein der Sommerstadt. Der schlanke Klingentänzer deutete eine leichte Verbeugung an. "Ich muss dich nun verlassen, Amerasu wünscht meine Anwesenheit bei den Planungen der nächsten Spiele. Auf bald, und vergiss bitte niemals, wer du bist. Ein Yakh-Huyeru, einer der Unsrigen." Arson erwiderte die Verbeugung, verabschiedete sich höflich von seinem Waffenbruder, um seinen Weg dann allein fortzusetzen. Er konnte es nicht verhindern, dass sich ein schmales Lächeln auf seine Züge stahl. Jiriki hatte ihn als einen der Ihren bezeichnet. Ein Klingentänzer. Ein Bürger Jao'y'tinukeda'yas. Er sollte Aditu davon erzählen, die Sithidame würde es sicher ebenso erfreuen wie ihn. Der Paladin beschleunigte seine Schritte, überquerte eine reich verzierte Marmorbrücke, folgte einem der glänzend weißen Kieswegen, beobachtete das Spiel der glitzernden Bachläufe und pflückte schließlich eine himmelblaue Blüte, die er im Schatten einer schlanken Birke entdeckte. Das Haus der Familie Hekh-Asor war nun nicht mehr weit, und Arson legte die letzten Meter in fröhlicher Erwartung zurück, während er die Blume zwischen den Fingern drehte. Er würde sie Aditu in ihr weiches Haar stecken, und ihr dann von Jiriki erzählen. Vielleicht würde die Sitha dann sogar... Der fließende Klang zweier melodischer Sithistimmen riss ihn aus seinen Gedanken. Er stand nun lediglich einen halben Meter vor der Türöffnung des weitläufigen Tuchgebäudes, konnte die größtenteils natürlich gewachsene Einrichtung der großen Eingangshalle bereits erkennen. Ebenso sah er die Schatten zweier Sithi. Vorsichtig trat Arson an eine der Tuchwände und lauschte. Er wollte die beiden Unsterblichen in ihrer Konversation nicht stören, doch die Tatsache, dass die Wände des Hauses lediglich aus hauchzarter Seide bestanden, machte es unmöglich, die Worte der Sithi nicht zu hören. Der junge Paladin wusste bereits, wer sich dort unterhielt. Niemals würde er den Klang der weiblichen Stimme verwechseln, sie begleitete den Menschenkrieger Tag und Nacht, zu jeder Sekunde seines Lebens, unzählige süße Erinnerungen hafteten an ihr. Sie gehörte Aditu. Die zweite, deutlich getragenere Stimme identifizierte der Paladin als die von Shisaeya, Drukhis Gemahlin und Mitglied der sieben Gründer. Selbstverständlich wurde die Konversation in der Sprache der Sithi geführt, doch Arson war ein gelehriger Schüler gewesen. Er verstand die Worte der beiden Frauen ohne sonderliche Mühen. "...aber Urgroßmutter, er ist wirklich faszinierend." -"Er ist ein Mensch. Du weißt, er ist sterblich." Aditu lachte. Arsons Miene verfinsterte sich. Irgendetwas gefiel ihm nicht an der Tonlage des Lautes. "Ja, ich weiß, aber er ist stark und ungestüm. Die Männer unseres Volkes sind so...bedächtig. Ich mag seine Leidenschaft." Stoff raschelte, als die beiden Unsterblichen durch den Raum schritten. Arson strengte seine Ohren an. "Ja, ich kenne die Sterblichen nur allzu gut. Ihre Leidenschaft ist gefährlich. Ich möchte nicht, dass du ihm falsche Hoffnungen machst, Aditu." Wieder dieses glockenhelle Lachen. Dem Paladin lief ein kalter Schauer über den Rücken. "Du weißt nicht, wie er ist, Urgroßmutter. Er ist so süß, er macht alles für mich. Er ist wie ein zahmer Bär, und ich möchte ihn behalten." -"Er wird altern, und er wird sterben. Seine Kraft ist nur von kurzer Dauer." "Dann sollte ich diese Zeit nutzen, nicht wahr? Es wird sicher schwer, einen neuen Menschen zu finden. Sie kommen so selten hier her..." Shisaeya setzte zu einer Antwort an, doch Arson hörte sie nicht mehr. Er hatte genug gehört, vielleicht mehr, als gut für ihn war. Vor seinen Augen verschwamm die Welt hinter einem Schleier aus Tränen. Ein Haustier...ein zahmer Bär...das war er also... Der Paladin konnte sich nicht mehr beherrschen, ruckartig wandte er sich ab, rannte den Kiesweg herab, sprang über die Bachläufe, wich den vorbeiflanierenden Sithi dabei nur notdürftig aus. Die mild überraschten Blicke bemerkte er dabei nichteinmal. Er musste weg, er musste alleine sein. Vor Anstrengung keuchend erreichte er das winzige Tuchhaus, in dem er vor vielen Monaten seine Wunden kuriert hatte, stürmte in rasender Verzweiflung durch die rechteckige Eingangsöffnung, um dann zitternd zusammenzubrechen. Auf Hände und Knie gestützt kauerte er im weichen Gras, den Kopf hielt er gesenkt, die feuchten Augen waren weit aufgerissen, Tränen fielen auf die saftig grünen Halme, perlten Tautropfen gleich an ihnen herunter. Ein gigantischer Wirbelsturm hatte Arsons Gedanken hinweggefegt, verworren kreisten sie nun in seinem zerrissenen Geist, während abgrundtiefe Verzweiflung in die neu geöffneten Wunden strömte, jede klare Entscheidung unmöglich machte. Der Paladin schluchzte, sein Körper spannte sich, seine Hände gruben hilflos in der weichen Erde, während Aditus Gelächter ihm einer dröhenden Glock gleich im Kopf läutete. Ein Haustier. Er war ein Haustier, ein Spielzeug, ein lustiges kleines Wesen, gerade gut genug, die unsterbliche Sithidame zu belustigen. Ein schmerzhafter Stich zuckte durch die Brust des Kriegers, eine einzelne glühende Nadel bohrte sich in Arsons Geist, ihre Flammen leckten an seinen Gedanken, setzten sie einen nach dem anderen in Brand. Heißer Zorn mischte sich unter die alles erstickende Decke der Trauer.
   
Der schwache Schimmer von Gold ließ den Paladin aufblicken. Sein tränennasser Blick fiel auf etwas Kleines, Glänzendes, halbverborgen im hohen Gras, unweit der Stelle, an der er sein Schwert gefunden hatte. Arson griff danach. Es war ein Ring. Sein Ring. Mit bebenden Schultern hielt der Menschenkrieger das Kleinod vor sein Gesicht, starrte nachdenklich auf das kunstfertig eingravierte Wappen auf der Oberseite des Ringes. Eine stilisierte Sonnenscheibe, vor der sich zwei kleine Kampfschwerter kreuzten. Das Zeichen eines Paladins. Arsons Miene verhärtete sich, der Tränenfluss versiegte, die Kiefermuskeln wurden gespannt. Was hatte Jiriki zu ihm gesagt? Er solle nicht vergessen, wer er war. Der Sitha hatte Recht, und doch irrte er sich auf schreckliche Weise. Die Faust des heiligen Streiters schloss sich um den Ring, wurde an die nackte Brust gedrückt. Langsam kam Arson auf die Beine. Wieder einmal hatte er einen Fehler gemacht. Er hatte tatsächlich vergessen, wer er war. Er hatte vergessen, wem er die Treue geschworen hatte, hatte seine Freunde, seine Brüder und Schwestern im Stich gelassen, um einem Kindertraum nachzujagen. Doch Innos, in seiner unendlichen Güte, gab ihm noch eine zweite Chance. Er würde ihn nicht enttäuschen. "Ich weiß, wer ich bin." Arson, Paladin des Königs. Arson, Verteidiger des wahren Glaubens. Arson, Krieger des Menschenvolkes. Es war an der Zeit, für seine Fehler einzustehen, und das Unheil, das er vielleicht jetzt schon angerichtet hatte, wiedergut zu machen. Der hochgewachsene junge Mann wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht, trocknete seine Wangen und wartete, bis sein Pulsschlag sich wieder normalisierte. Als er das kleine Tuchhäuschen verließ, bewegte er sich mit der üblichen gelassenen Geschmeidigkeit, weder seine Haltung noch sein Gesichtsausdruck verrieten etwas von den Gedanken, die im Kopf des Menschenkämpfers ausgebrütet wurden. Freundlich nickte er einigen vorbeischreitenden Sithi zu, machte sich dann ohne Eile auf den Weg zur Residenz des Hauses Hekh-Asor, um seine liebste Aditu zu begrüßen. An seiner Hand blitzte der goldene Ring der Paladine.

Arson


ls Aditu am nächsten Morgen neben ihrem menschlichen Gefährten erwachte, fand sie einen fröhlich lächelnden Arson vor, der ihr einen zärtlichen Kuss auf die ebenmäßig weißen Wangen gab, bevor er sich dann mit einer geschmeidigen Bewegung vom Grasboden erhob, um gähnend seine Glieder zu strecken. Grüne Pupillen blitzten in einem bartlosen Gesicht, das pechschwarze Haar fiel in langen, seidigen Strähnen bis zur Hüfte des Kriegers. Wer Arson an diesem sonnenbeschienenen Morgen dabei zusah, wie er Arme und Beine lockerte, sich dann gelassen, doch trotzdem geschickt in seine Tuchgewänder hüllte, der hätte ihn kaum für denselben zerkratzten und halbverdursteten Burschen halten können, der vor vielen Monaten durch die Tore der Stadt des ewigen Sommers getragen worden war. "Guten Morgen, liebste Aditu." Die Sitha erhob sich, trat an den hochgewachsenen Paladin heran und strich ihm spielerisch über die Brust, bevor sie sich ebenfalls nach ihren Kleidern bückte und sie mit anmutigen Griffen um ihren gertenschlanken Körper wand. "Guten Morgen, süßer Arson." Wortlos hakte sich die Sitha bei ihrem Gefährten unter, um dann an seiner Seite in das weitläufige Empfangszimmer der Residenz zu treten, die ihre Familie bewohnte. Wie jeden Morgen setzten sie sich an eine der langen Tafeln, um sich dann an verschiedenen Früchten und Gemüsesorten zu stärken. Arson aß mit gewohntem Appetit, wechselte sogar einige Worte mit Drukhi dem Hausherren, der sich nach dem Befinden des Sterblichen erkundete. "Danke Herr, es geht mir ausgezeichnet. Ich fühle mich frei wie lange nicht mehr." Der ehrwürdige Gründer nickte und schaute zu Aditu hinüber. Ein bitterer Zug huschte über Arsons Gesicht, nicht mehr als der Schatten einer Emotion, bevor sich der schmale Mund wieder zu einem höflichen Lächeln öffnete. Der Sithimann deutete die Bemerkung falsch. Völlig falsch. Und das war gut so. Sanfte Fingerkuppen berührten den Arm des Kriegers. "Begleitest du mich in das Yásira?" Aditus wunderschöne Augen glänzten, ihr Gesicht strahlte ihm Schein der durch die dünnen Seidentücher fallenden Sonnenstrahlen wie das Abbild einer Göttin. Arson nickte und erhob sich. "Natürlich." Gemeinsam verließen sie die Residenz, schritten langsam über die schmalen Kieswege der Stadt. Irgendwo in den breiten Kronen der Bäume zwitscherten Vögel, das in den Bachläufen sprudelnde Wasser war so rein, dass man jeden Stein auf dem Grund mühelos erkennen konnte. Wie trügerisch der Frieden doch war... "Oh, du trägst einen Ring." Aditu hob die Hand des Paladins, um das glitzernde Kleinod besser begutachten zu können. "Ja. Es ist der Ring meines Kriegerordens." Die Sitha hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Für die Dauer eines Lidschlages schien die Zeit stillzustehen, während hellen Grün auf gleißendes Silber traf, doch dann wandte Aditu sich wieder dem Weg zu. "Er ist schön." Arsons Lächeln bekam einen melancholischen Zug. Fast hatte er gehofft, seine Begleiterin würde seine Absichten in seinen Augen lesen können, ehrlich mit ihm reden und diesem ganzen Wahnsinn damit Einhalt gebieten. Sie hatte es nicht erkannt. Wahrscheinlich interessierten sie die Gefühle des Paladins nichteinmal, solange er tat, was ihr gefiel. Die Kiefermuskeln des Kriegers spannten sich. "Ja, das ist er." Sie erreichten die von dem gigantischen Mammutbaum überdachten Hallen des Yásira, traten in den Schatten der rauschenden Wipfel, gesellten sich zu hunderten anderer Sithi, um sich Seite an Seite im Gras der Zeremonienhalle niederzulassen. Arson betrachtete die an ihren Fäden hängenden Schmetterlinge. Ihre silbrig glänzenden Flügel bewegten sich als wären sie alle Teil eines einzigen, gewaltigen Lebewesens, schlugen in einem Rhythmus, der auf bizarre Weise zum Rauschen des Windes in den Blättern des Baumes passte. Welches Wunder hinter dieser riesigen Pflanze steckte, würde der Paladin wohl nie erfahren, denn jetzt hatten sich die Kinder Inelukis versammelt. Als sie die Augen schlossen, tat Arson es ihnen gleich, doch anstatt wie üblich in eine tiefe Meditation zu verfallen, blieb er hellwach, lauschte den leisen Klängen der sanften Lieder der Unsterblichen, wartete verharrte reglos auf dem grünen Wiesenboden. Eine gute Stunde war verstrichen, als sich die Augen des Paladins mit einem blitzartigen Ruck öffneten. Das freundliche Lächeln war wie aus dem Gesicht gewischt, die schmalen Züge des Menschenkriegers waren kühl und ausdruckslos. Mit gelassener Sorgfalt musterte er die ruhenden Sithi, erhob sich dann, um das Yásira ruhigen Schrittes zu verlassen und hinaus in den Sonnenschein zu treten. Jao'y'tinukada'ya war leer, allein die dezenten Geräusche der Natur begleiteten den Recken auf seinem Weg den Tempelhügel hinauf. Das gesamte Volk der Kinder des Sonnenaufganges hatte sich unter dem Baum versammelt um ihrer Ahnen zu gedenken. Welch Ironie des Schicksals, dass diese Ehrerbietung sich nun als ihre größte Schwäche entpuppte. Unangefochten erreichte Arson den Tempelkomplex, blieb einen Moment im gewölbten Eingangsportal stehen, sog die kühle Luft der gewaltigen Marmorhalle in seine Lungen und genoss das gespannte Kribbeln in seiner Magengegend. Dann trat er ein. Laut und hohl hallten die Schritte seiner bestiefelten Füße durch die riesige Halle, wurden von den gewaltigen Marmorsäulen reflektiert, die den Paladin zu beiden Seiten flankierten. Er war in das Venyha Do'sae eingedrungen, befand sich nun im Heiligtum der Sithi, im herzen ihrer Stadt. Nahe den Raumwänden standen die uralten Rüstungen der ehrwürdigen Helden auf ihren Silbersockeln, blickten stumm auf den Menschling hinab, der es wagte, ihre Ruhe in dieser Stunde zu stören. Arson trat an an > Himmelslied < , den strahlend weißen Panzer der Ersten Großmutter Amerasu heran. Seine Hand strich über das schimmernde Material, jede Mischung aus Erz und Hexenholz, die der Rüstung den Namen Hexenharnisch eingebracht hatte. Die Lippen des Kriegers öffneten sich, dann zuckte er jedoch zurück. Nein, für die Tat, die er im Sinn hatte, geziemte sich ein unbeflecktes Weiß einfach nicht. Der Paladin wandte sich ab, schritt die Reihen der Rüstungen ohne Eile entlang, bis er schließlich vor dem schwarzen Panzer mit dem bezeichneten Namen > Nachtschatten < innehielt. Wie Amerasus Harnisch glänzte auch dieses Rüstwerk in den schillernden Farben eines Insektes, erinnerte Arson stets an die Chitinleiber der bösartigen Blutfliegen, die es in seinen heimatlichen Gefilden so zahlreich gab. Bruststück, Arm- und Beinschienen waren reich mit kostbaren Silberverzierungen bestückt, die ehrwürdigen Schmiedemeister hatten sich alle Mühe gegeben, die Rüstung auf dezente Weise mit kostbaren Emaillierungen zu überziehen, komplexe Muster, unendlich verworren und doch von anmutiger Schönheit. Der neben dem Panzer auf einem Sockel ruhende Helm war dem Kopf eines Panthers nachempfunden, ruhig und leblos starrten die leeren Augenhöhlen den hochgewachsenen Krieger an. Dieser hatte seine Wahl getroffen. "A-Genay'asu." Kaum waren die Silben verklungen, da begannen die Panzerplatten sich zu bewegen, öffneten sich wie die Blüte einer Blume, gaben ihren Innenraum mit leisem, metallischem Schaben frei. Der Brustpanzer klappte nach Oben, Arm- und Beinschienen öffneten sich an zuvor unsichtbaren Nahtstellen, der Umhang entfaltete sich, fächerte auf und offenbarte sich als das, was er wirklich war - zwei einzelne Stränge vieler dünner, langer Seidenbänder, die sich nun nach allen Seiten ausstreckten, als wären es die Schwingen eines Vogels. Wie schon die Rüstung der ersten Großmutter schillerte auch die Innenseite dieses Harnisches in allen Farben des Regenbogens. Arsons Muskeln spannten sich, sein Herz begann schneller in der Brust zu pochen, während er atemlos auf den geöffneten Panzer starrte. Langsam drehte er sich um, schritt rückwärts auf den schillernden Hexenstahl zu, setzte die Füße unendlich vorsichtig zwischen die aufgeschnappten Beinschienen, hob die Arme und legte sie in die dafür vorgesehen Kammern. Zuletzt lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Rüstung. Knapp überhalb der Hüfte konnte er den etwas fingerlangen Stachel spüren, wie er die Haut über seiner Wirbelsäule piekste. Schweißtropfen perlten dem Paladin von der Stirn. Die Gegenwart von > Nachtschatten < war nun so deutlich zu spüren, dass Arson sich fragte, ob der Harnisch wirklich nur ein Harnisch war. Dem Paladin kamen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns. Was, wenn diese Rüstung ihn zerfetzte? Was, wenn sie ihn mit Haut und Haaren verschlang? Dann hast du es immerhin hinter dir, Narr. Da war etwas dran. Ein letztes Mal holte der Krieger Luft, öffnete dann die Lippen, um jene schicksalsentscheidenden Silben auszusprechen. "O-Genay'osé." Mit einem kalten Schaben schnappten die Stahlschienen um Arme und Beine des Menschenkämpfers, der Brustpanzer klappte nach von, schloss sich um Arsons Brust, drückte seinen Oberkörper vollends gegen die Rückseite des Harnisches, so dass sich der etwa fingerlange Stachel tiefer in seinen Leib bohrte. Die Nahtstellen der Rüstung verschmolzen zu einer Einheit, die Strähnen des Umhangs legten sich um die gepanzerten Schultern des Paladins, dann fühlte der hochgewachsene junge Mann, wie etwas Erhabenes, höchst Fremdartiges in seinen Geist eindrang. Eine stumme Frage wurde gestellt, und Arson konnte nicht anders als sie zu beantworten. nein, er war kein Sithi. Ja, er hatte vor, dem Volk der Unsterblichen zu schaden. Der Schmerz kam mit blitzartiger Schnelligkeit, traf den heiligen Streiter mit gnadenloser Wucht. Keuchend brach er in die Knie, während hunderte Supernovae auf seinen Netzhäuten explodierten. Tausend glühende Messer zerschnitten sein Hirn, zerstückelten seinen Geist, wollten ihn zwingen, die Kontrolle über sich selbst aufzugeben. Durch einen Nebel aus bunter Agonie sah Arson, wie sich seine eigene, von scharfen Klauenpanzergliedern umhüllte Hand auf sein ungeschütztes Gesicht zubewegte, die Finger in unverkennbarer Absicht verkrampft. Der Paladin wehrte sich. Bei Innos, dies war sein Körper, und er allein gab hier die Befehle! Speichel lief ihm in schillernden Fäden zwischen den gefletschten Zähnen hindurch, besudelte die makellosen Marmorfliesen, während sich der in schwarzen Stahl gehüllte Leib des Kriegers immer wieder in spastischen Anfällen aufbäumte. Arson dachte an Sludig, dachte an Einskaldir, zwang die Bilder seiner Kameraden vor sein geistiges Auge, hielt sie mit panischer Verzweiflung fest, klammerte sich an seine Erinnerungen wie der Ertrinkende an das rettende Floß, während er gleichzeitig gegen den uralten Willen eines unbekannten Wesens ankämpfte. langsam sank die Hand zu Boden, scharrte hilflos auf den kalten Bodenfliesen, hinterließ tiefe Kratzer im weißen Gestein. Arson dachte an Haestan, durchlebte noch einmal die Sekunden seines Todes, blickte dem lachenden Dämon, der ihn umbrachte noch einmal in das schmale Gesicht, sah noch einmal jene glühenden Mandelaugen, die auf so schreckliche Weise einem...Sitha ähnelten. Arson schrie auf, brüllte seine unartikulierte Wut zwischen zusammengebissenen Kiefern hinaus. Jetzt ergab es einen Sinn! Der Schlächter von Utanyeat, dieses unheilige, bösartige Wesen, war ein Sitha! Die Erkenntnis gab den Ausschlag. Der pure, ungezügelte Zorn des Paladin zerfetzte die Päsenz des Geistwesens als bestünde es aus nicht als Nebel, drückte es zurück in die Kammern seines Unterbewusstseins, nahm ihm seine Individualität, machte es zu seinem Diener. Der Zuckungen verebbten, als Arsons Leib zur Ruhe kam. Langsam normalisierte sich die Atmung, die Muskeln entspannten sich, das Bild wurde wieder klar. Als der Menschenkrieger sich erhob, war sein Gesicht zu einem ironischen Lächeln verzogen. Mit grimmiger Befriedigung bewegte er Arme und Beine, erfreute sich an den leise klickenden Geräuschen der kostbar gearbeiteten Panzerglieder. Jetzt, da sein Wille gebrochen war, gehorchte der Harnisch seinen Befehlen, unterstützte den Paladin bei jeder Bewegung, verlieh ihm somit zusätzliche Kraft. Der Streiter Innos' fühlte sich, als trüge er eine Rüstung bestehend aus himmelleichten Federn anstatt grauschwarzem Hexenstahl. Der Schmerz in der Wirbelsäule war gewichen, allein die dezente Gegenwart von etwas Fremden blieb an der Oberfläche des Geistes, war eng mit der mentalen Energie verbunden, mit deren Hilfe Arson für gewöhnlich die Macht seiner Runen aktivierte. Der Recke lächelte. So erhielt der Harnisch also seine Energie. Ein gezielter geistiger Befehl zuckte durch das Hirn des Kämpfers, und der dunkle Umhang öffnete sich, die einzelnen Bänder spreizten sich flügelartig ab, verharrten dann in bizarrer Reglosigkeit in der Luft. Arsons Blick fiel auf den Helmsockel. Hauchzarten Tentakeln gleich schossen die Seidenbänder nach vorn, wickelten sich um Helm und Sockel, trugen den schwarz schillernden Kopfschmuck bis vor Arsons Augen, während die übrigen Tentakel das marmorne Podest kraftvoll durch die Halle schleuderten. Krachend zerbarst der Sockel auf den polierten Bodenfliesen, rutschte geteilt in dutzende kantige Fragmente über den Stein, um klickend und klackend vor Säulen und Wänden zum Stillstand zu kommen. Beeindruckt betrachtete Arson das Ergebnis seines Gedankenbefehls nahm dann den Pantherhelm entgegen, um ihn über sein Haupt zu stülpen. Das Lange Haar band er dazu zu einem Schopf zusammen, der in Nackenhöhe durch eine dafür vorgesehene, kreisrunde Aussparung auf der Rückseite des Helmes gesteckt wurde, so dass das seidig schimmernde Haar nun in einem langen Zopf zwischen den gepanzerten Schulterblättern des Kriegers hindurch bis zur Hüfte fiel. Das aus Oberkiefer und Augenpartie bestehende Helmvisier ließ der Paladin geöffnet, warf einen letzten Blick auf die leere Halle der Helden, wandte sich dann ab, und marschierte tiefer in das Herz der Sommerstadt hinein...