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(Fortsetzung von Seite 12)
Nun war er also aufgewacht. Er spürte den Verband welcher sich über
seine rechte Schulter und unter dem Arm entlang zog wie eine zweite Haut,
fast wäre er ihm gar nicht aufgefallen. Rena hatte gute Arbeit geleistet.
Vorsichtig erhob der Schwarzmagier sich aus seinem Bett und blieb prüfend
stehen. Die Welt drehte sich nicht mehr, obwohl seine Beine ein bisschen
schwach waren. Und nicht nur seine Beine, sein gesamter Körper war
ausgelaugt vom Kampf gegen das Gift. Doch er war gesund und das zählte.
Die Kraft würde schon zurückkehren, ziemlich schnell sogar da
war er sich sicher. Das Schattenkraut hatte wieder mal ein kleines Wunder
bewirkt und im Stillen nahm er sich vor, irgendwann wieder an die Küste
zu reisen und nach Shadya und den Nomaden zu suchen. Er spürte die
Wunde fast gar nicht mehr, nur wenn er vorsichtig darüber tastete
protestierten die geschwollenen Ränder mit leichten Schmerzen, ansonsten
ging es ihm blendend. Seraphin grinste breit und zog sich seinen Mantel
und Hut an, bevor er sich im Spiegel betrachtete. Das lange weiße
Haar war etwas ungeordnet an den Stellen, wo es nicht zu einem Zopf gebunden
worden war. Seine Haut wirkte allerdings wieder frisch und nachdem er
den Kopf in den Waschbottich mit eiskaltem Wasser gesteckt hatte glänzten
seine Wangen schon fast rosig. Der Stabkampfschüler grinste zufrieden
und malte sich im Geiste schon aus, was unten im Refektorium für
ihn erscheinen sollte. Zwar war er noch etwas wackelig auf den Beinen
aber das würde sich legen, sobald er die erste Scavengerkeule mit
einem ordentlichen Schluck Wein heruntergespült hatte, da war er
sich sicher.
Im Hinausgehen schnappte er sich seinen Stab und schritt schließlich
die Treppe zum ersten Stock in Richtung Refektorium hinunter. Erst einmal
wieder so richtig futtern, das hatte er sich verdient. Er würde
sich ein wahres Festmahl wünschen und danach galt es Horaxedus
zu finden und endlich mit dem Training fortzufahren. Denn mittlerweile
wusste er besser denn je, dass er den Umgang mit dem Stab meistern wollte.
Und nicht nur einfach so, er wollte ihn wirklich meisterhaft beherrschen
und er war bereit so hart dafür zu trainieren wie es nur ging.
Entschlossen lächelnd trat der Schüler in den großen
Speisesaal des Kastells. Oh ja, er würde lernen mit dem Stab umzugehen.
Das würde er
HoraXeduS
s war
schon erstaunlich, was aus einer simplen Buchendiebin im Laufe eines
kaum nennenswerten Zeitraums alles werden konnte. Gemeinhin wurden aus
Dieben Mörder, und aus Mördern wurden Gehenkte. Renata allerdings
hatte einen gänzlich anderen Weg eingeschlagen. Sie hatte vergangene
Nacht Seraphins Leben gerettet. Horaxedus war insgeheim froh, dass er
den Sterbenden nicht in die Bibliothek hatte schleifen müssen,
um ihn in der Nähe zu haben, während er selbst sich nach medizinischer
Literatur umsah. Sicherlich war es besser, die Heilung irgendwoanders
vorzunehmen als im Lesesaal. Selbstverständlich wäre es Horaxedus
gewiss gelungen, seinen Schüler zum Leben zu erwecken, aber er
wollte Renata nicht den Spaß verderben. Das bisschen tödliche
Gift. So was haut doch keinen Mann... Autsch! Eine widerspenstige Erbse
lag auf dem Korridor und bohrte sich schmerzhaft in die Schuhsohle des
Magiers.
Als Horaxedus in seiner Werkstatt unweit der Küche einkehrte,
loderte noch immer sein Glasofen. Die Dämonen hielten das Feuer
in dem doppelten Ofen am brennen, anders war diese stete Bereitschaft
nicht zu erklären. Als Horaxedus das gläserne Blasrohr erblickte,
welches auf seiner Werkbank harrte, legte sich ein Lächeln auf
seine Miene. elpede würde seine wahre Freude an der Waffe haben.
Grün und glänzend. Auch würde sich die Präzision
in der Herstellung auf die Zielgenauigkeit auswirken. Hoffentlich kam
der Wolfszüchter bald, sein Werkstück in Empfang zu nehmen.
Der Glasmacher griff nach seinem Werk. Augenblicklich wirbelte er es
vorsichtig durch die Luft. Ja, es lag ihm wirklich mehr, einen Stab
zu schwingen, als ihn mit Pfeilen zu füllen.
Es war heiß in der Werkstatt des Glasmachers. Doch Horaxedus
spürte davon nichts bei seinem einsamen Schattenkampf.
HoraXeduS
s war
nicht wirklich so, dass Horaxedus von seiner Werkstatt im Innern des
Kastells aus hätte hören können, dass seine hölzerne
Übungspuppe in Schwierigkeiten war. Nein, die Gute wusste sich
schon zu helfen. Nur ein wahrer Meister wusste die wehrhafte Hölzerne
zu besiegen, und offen gesagt, davon hatte der Stablehrmeister noch
keinen erlebt.
Doch irgendein Gefühl war es, das ihn dennoch aus seiner Werkstatt,
nach einem schnellen Rücktausch Blasrohr gegen Kampfstab, trieb
durch die Eingangshalle, hinaus aus dem Kastell, nach rechts auf die
kleine Wiese vor dem düsteren Gemäuer Beliars. "Sebastian?"
Der Stabkampfmeister war erstaunt. Da kämpfte einer, in seinen
Bewegungen beinahe wie er selbst, mit der Übungspuppe. Und wurde
dabei kaum jemals getroffen. Freilich: der Kopf war noch drauf auf der
Widerspenstigen, also war sie längst nicht besiegt. Doch erstaunlich
war es allemal. Die Bewegungen, die Horaxedus seinem Schüler dereinst
gezeigt hatte, er vollzog sie in erstaunlicher Anmut. Was war aus dem
selbst eher hölzernen Novizen Innos' nur geworden. Offenbar nicht
nur ein Magier. Und offenbar ebenso mehr als nur ein schlichter Kämpfer.
"Horax!" Der Innosgläubige schien durchaus erfreut, seinen
Lehrer zu erblicken. Ohne Eitelkeit ließ er seinen Kampfstab sinken
und, von seinem Stande her nicht selbstverständlich, deutete eine
Verneigung gegenüber Horaxedus an, die diesem jedoch spürbar
peinlich war. "Sebastian! Lass das doch... Wie ich sehe, hast du
tatsächlich weitergemacht. Sogar völlig neue Bewegungen hast
du kreiert. Doch eines will ich dir wohl zeigen: Wenn du die Drehung
weiterhin so schnell durchführst, um Deinen Gegner zu überraschen,
so bleibe in der Hüfte fest konzentriert. Wie willst du jemals
einen harten Schlagansatz führen, wenn du nicht fest stehst? Bislang
ist Deine Technik fein, doch Dein Schlag ist einfach zu weich, obwohl
du nicht gerade von schmächtiger Statur bist, wie ich finde."
Der Kämpfer Innos' nickte abwesend, da er bereits über die
Worte seines Lehrers nachzudenken im Begriff war. Horaxedus fuhr fort:
"Deine Technik bringt dich nicht weiter, wenn du selber nicht den
entscheidenden Schlag ausführen kannst." Enttäuscht schaute
da der Schüler drein. Ihm war wohl aufgefallen, dass er die Übungspuppe
ein ums andere Mal ausgetrickst hatte... doch vernichtend geschlagen
hatte er sie nie. Was konnte er tun?
Die Antwort auf die unausgesprochene Frage folgte auf dem Fuße.
"Sag, Sebastian, ist dir je die Idee gekommen, dass Kraft auch
aus reiner Geschwindigkeit erwachsen kann?" Horaxedus ging ein
paar Schritte hinüber zu einer jungen Weide. Langsam führte
er seinen Kampfstab hier nach vorn und sowohl Ausholbewegung als auch
Schlag folgten beinahe ansatzlos. Ein dünner, feuchter und noch
wabbeliger Zweig fiel zu Boden. "Einer jungen Weide die weichen
Zweige abzuschlagen bedarf keiner Muskelkraft. Doch versuche es - momentan
wird es dir kaum gelingen. Führe Den Stab locker, nutze Deine Unterarme
dafür und halte Deinen Oberkörper endlich aufrecht! Dann kann
es gelingen."
Der Schüler seufzte, als Horaxedus fortfuhr: "Bei all Deiner
Kampfkunst: Erst wenn du mir drei Dutzend dieser jungen Weidenzweige
bringst, abgeschlagen mit dem Stab, werde ich wieder gegen dich antreten.
Und erst dann wirst du wissen, ob Deine neue Technik taugt."
Mit diesen Worten trat Horaxedus etwas zurück und begann seinerseits,
mit der Übungspuppe zu kämpfen. Er hatte Zeit. Mal sehen,
wann sein Schüler seine Aufgabe erfüllen würde.
Ob es Seraphin wohl schon besser ging? - ZACK! - saß der Gegenschlag
der Hölzernen auf dem unkonzentrierten Schädel des Schwarzmagiers.
HoraXeduS
"ringe
mir einen Sack Reis!"
Horaxedus hatte beim Gedanken an Seraphin nicht mehr mit der Holzpuppe
kämpfen können. Es ließ ihm keine Ruhe, dass er nicht
wusste, wie es seinem Schüler ergangen war. Der Lehrer war mit
den Gedanken einfach nicht bei der Sache. Ein ums andere Mal hatte ihn
seine Trainingspartnerin bereits getroffen, das war ihm lange nicht
mehr passiert. Sebastian war noch eine Weile mit seiner neuen Aufgabe
beschäftigt, da blieb also Zeit, etwas für die Nerven des
strapazierten Schwarzmagiers zu tun: Horaxedus wollte sich mal wieder
ein richtig gutes, entspanntes und ruhiges Essen im Refektorium gönnen.
Auch wenn ihm die Sorge um Seraphin kaum Ruhe ließ.
Doch kaum hatte der Glasmacher den Speisesaal betreten, was erblickten
seine müden Augen da? Seraphin inmitten der köstlichsten Speisen!!
Er ließ es sich nur allzu gut gehen wie es schien. Da machte man
sich ausnahmsweise mal ernsthaft Sorgen um ihn und was hatte er im Sinn?
Lebte hier in Saus und Braus und stopfte sich den Wanst voll.
"Hallo Seraphin", grüßte Horaxedus den Arglosen,
der tatsächlich nichts anderes wollte, als etwas zu Kräften
zu kommen nach der annähernden Genesung von der Giftattacke Knargufs
des Illaners. "Oh, hallo Horaxedus! Setzt euch doch zu mir. Habe
ich euch eigentlich schon..."
Nun. Horaxedus war, wie konnte man es am ehesten beschreiben, er war
sozusagen urlaubsreif. Vielleicht kann sich jemand in seine Lage versetzen?
Man stelle sich irgendeine harmlose, friedliche Situation vor. Selbige
wird falsch verstanden von irgendwem und plötzlich geht es rund.
Im vorliegenden Fall war es Horaxedus, der sich einfach nicht vorstellen
konnte, dass sein Schüler einfach nur Kraft tanken wollte. Und
Seraphin war es schließlich, für den es dann plötzlich
rund ging.
"Wie ich sehe, Seraphin, kannst du schon wieder nach Herzenslust
schmausen." Seraphin überhörte diese kleine Ungerechtigkeit
wohlwollend und bat seinen Lehrer erneut, Platz zu nehmen. Dieser jedoch
fuhr fort: "Während du hier gemütlich speist, mein werter
Herr, mache ich mir Sorgen um dich." "Ach, nicht nötig,
es geht mir schon besser", lächelte Seraphin freundlich. Doch
der Jähzorn des urlaubsreifen Stabkampflehrmeisters war bereits
angefacht. "Bring mir einen Sack Reis!", herrschte er einen
der dienstbaren Dämonen des Refektoriums erneut an. Diesem war
die schlechte Laune des Magiers ziemlich egal, auch dessen Umgangston.
Dennoch brachte er den schwersten und schmutzigsten Sack Reis, der in
der Küche aufzutreiben schien. Diesen setzte er vor Horaxedus auf
die Tafel und verzog sich geräuschlos.
Der Glasmacher griff zu seinem Kampfstab. "Eben hatte ich noch
Appetit auf Reis, Seraphin. Doch jetzt habe ich nur noch Lust, dies
hier mit dem Reis anzustellen." Grimmig stellte der Magier sich
auf und begann alsbald, mit seinem Langholz eine Staffel von Schlägen
aneinander zureihen, die den unschuldigen Reissack völlig unvermittelt
trafen. Seraphin sah interessiert zu, was seinen Lehrer allerdings beinahe
noch mehr auf die Palme brachte. So setzte der Lehrer erneut an, dieselbe
Kombination, eine Auswahl seiner wirkungsvollsten Schläge, auf
den Reissack einprasseln zu lassen. Dann schaute er zu seinem Schüler,
der ihm beeindruckt zunickte. Horaxedus fühlte sich hierdurch noch
weniger ernstgenommen und wiederholte seine Schlagtechniken erneut und
nochmals etwas schneller und kräftiger. Um es kurz zu machen: Seraphin
bekam eine komplette Lehrstunde, wie sie der sonst so wortkarge Horaxedus
sie im lässigen Zustand niemals zu geben vermocht hatte.
Schließlich wurde es dem Lehrer zu bunt, er begann bereits selber
an seiner geistigen Verfassung zu zweifeln, wurde müde und sich
nicht mehr bewusst, warum er eigentlich so wütend war. "Wir
sehen uns morgen", murmelte er brummig und verließ das Refektorium.
Neugierig, mit erhobenem Kampfstab näherte sich Seraphin dem großen
Sack, prall gefüllt mit Reis.
Seraphin
in
bisschen irritiert schaute Seraphin seinem Lehrmeister hinterher während
dieser mit, irgendwie so gar nicht mehr lässigen Schritten das
Refektorium verließ. Der Stabkampfschüler meinte noch ein
Schnauben wie von einem wilden Tier zu vernehmen als Horaxedus um die
Ecke bog, beruhigte sich aber schließlich damit das es wohl nur
der Wind gewesen sein konnte. Was hatte den Priester so aus der Fassung
gebracht? Und hatte dieser sonst so ernste Mann gerade zugegeben dass
er sich wirklich Sorgen um ihn gemacht hatte? Plötzlich erschien
ein Lächeln auf Seraphins Gesicht während er sich langsam
erhob. Was auch immer der Grund für diesen Ausraster gewesen war,
der Gute würde sich schon wieder beruhigen, da war er sich sicher.
Doch interessant was so ein Wutausbruch enthüllen konnte. In diesem
Fall war es eine Mischung der gefährlichsten Schlagtechniken der
Stabkampfkunst gewesen, wenn auch ziemlich brutal ausgeführt so
doch nicht minder effektiv.
Der Reissack jedenfalls sah schon recht mitgenommen aus als Seraphin
konzentriert zu einem weiteren Hieb auf den armen Stoff ansetzte. Wie
hatte sein Lehrmeister es noch mal gemacht? Nachdenklich verharrte der
Schwarzmagus mitten im Schlag und versuchte sich den Bewegungsablauf
seines Lehrers in Erinnerung zu rufen. Als ob die Zeit ihn gefangen
hielt führte er seinen Stab langsam entlang einer unsichtbaren
Linie, stoppte ab und zu um sich zu berichtigen, nur um gleich darauf
weiterzumachen und das Holz schließlich sanft auf dem grauen Leinen
des Reissacks aufkommen zu lassen. Dann wiederholte er das Ganze, immer
schneller und schneller. Der Tisch bebte von den einprasselnden Schlagfolgen
des Schwarzmagiers und Seraphin versuchte immer wieder andere Bewegungsabläufe
einzubringen, miteinander zu verbinden um sie dann möglichst schnell
und effektiv auszuführen. Plötzlich ertönte ein reißendes
Geräusch und der Inhalt des Sacks ergoss sich Körnchen für
Körnchen auf den Boden des Refektoriums während Seraphin sich
langsam beruhigte und grinsend den Schweiß abwischte.
Ob er seinen Lehrmeister vielleicht zu einem kleinen Kampf im Innenhof
überreden konnte? Oder war der Gute noch immer so außer sich
das es momentan vielleicht sogar ein Risiko bedeutete ihn herauszufordern?
Der Sack hatte sich mittlerweile fast komplett geleert und die kleinen
weißen Reiskörnchen rieselten wie in einer Sanduhr zu Boden
und versuchten die Grübeleien des Schwarzmagiers zu beschleunigen.
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Schließlich grinste Seraphin und wünschte sich ein Gedanken
einen Dämon herbei welcher sich im gleichen Moment vor ihm materialisierte.
"Sorge dafür, dass der Reis vom Boden gefegt wird und richte
Horaxedus aus, das ich ihn im Innenhof erwarte. Wenn er genug Mumm hat
soll er sich mir stellen
" bei dem letzten Satz oder viel
mehr Gedanken, den er dem Dämon zu verstehen gab musste Seraphin
unwillkürlich grinsen als er sich das Gesicht seines Lehrmeisters
vorstellte. Wenn der Priester sich immer noch in derselben Laune wie
vor wenigen Minuten befand musste diese Herausforderung eine ordentliche
Tracht Prügel für seinen Schüler nach sich ziehen. Doch
das war es ihm wert, so konnte er endlich mal "kämpfen"
und nicht immer nur irgendwelche Übungen ausführen. Außerdem
fühlte er sich nach dem guten Essen wieder frisch und das einseitige
Üben mit dem Reissack hatte ihn in Kampfstimmung gebracht, ja er
freute sich regelrecht darauf mit seinem Lehrmeister die Langhölzer
zu kreuzen.
Zufrieden lächelnd packte Seraphin seinen Stab und schritt Richtung
Innenhof. Hoffentlich würde Horaxedus die Herausforderung annehmen
und bald erscheinen
HoraXeduS
er
Stabkampfmeister stand im Innenhof des Kastells und blickte in den abendlichen
Himmel. Seine Geduld war heute ausnahmsweise schier unermesslich, weshalb
er sich damit begnügte, hin und wieder sein Haupt gen Himmel zu
richten und sich am Stande der Sonne zeitlich zu orientieren. Wo blieb
nur Seraphin? Saß der etwa immer noch im Refektorium und frönte
dem Müßiggang? Na ja, er hatte es sich ja doch durchaus ein
wenig verdient, der Gute. Hatte beim Kampf gegen den Schergen des Schwertfischs
beinahe sein Leben gelassen und war dann doch so tapfer und schnell
genesen.
Horaxedus lächelte, als der Schüler sich endlich ebenfalls
in den Innenhof bemühte. Seraphin, etwas verblüfft, lächelte
verlegen zurück. "Ihr seid ja schon hier?" "Ja,
mein Lieber, ich warte schon den ganzen Tag auf dich. Ich wollte dir
gerne in einer praktischen Übung noch einige Lehren des Stabkampfes
näher bringen." "Gerne", freute sich der Behütete
und begab sich sogleich zu seinem Lehrer, um sich ihm gegenüber
aufzustellen und eine respektvolle Verneigung anzudeuten.
Die beiden Kämpfer wollten soeben beginnen, wäre nicht im
letzten Augenblick ein Dämon dazwischengeschwebt, der sich unmittelbar
in die Nähe des Glasmachers begab. Seraphin wurde blass. Wenn es
überhaupt möglich war, hatte er diesen dienstbaren Dämonen
soeben wiedererkannt. Sein zaghafter Versuch, ihn am mentalen Sprechen
zu hindern, war selbstredend zum Scheitern verurteilt.
"Horaxedus", klang es schmerzhaft im Kopf des Lehrmeisters,
"der Schwarzmagier namens Seraphin erwartet euch im Innenhof. Wenn
Ihr genug Mumm habt sollt Ihr Euch ihm stellen..."
Seraphin
eraphins
Gesicht wurde kreidebleich als er den heranflatternden Dämonen
erblickte. Sein halblauter Protest gegenüber dem Flügelwesen
endete schließlich in einem heiseren Krächzen als er bemerkte,
wie sich etwas in Horaxedus Blick veränderte und die Lippen des
Priesters plötzlich zu zwei schmalen Strichen wurden. Unbewusst
klammerten Seraphins Finger sich fester um seinen Stab während
er das Knistern in der Luft zu spüren glaubte und den unseligen
Boten aufs tiefste verwünschte, doch es war zu spät. Im Grunde
war es ja auch seine eigene Schuld, schließlich würde er
jetzt wohl die gehoffte Reaktion erhalten. Glaubte er zumindest, als
er beobachtete, wie sein Lehrmeister mit festen Schritten immer weiter
auf ihn zu kam. Seraphin grinste währenddessen nur dümmlich
verlegen allerdings endete das Ganze in einer unsicheren Grimasse als
Horaxedus schließlich knapp eine Handspanne vor seinem Schüler
stehen blieb.
Selbst die Esche schien plötzlich eine Spur leiser zu rauschen,
als ob sie ebenfalls die nahezu unermessliche Spannung zwischen Schüler
und Lehrer spüren würde. Dann wurde die Stille des Innenhofs
von dem rauen Flüstern des Priesters unterbrochen. "Wenn ich
mit dir fertig bin bist du
", er machte eine entsprechende
Geste, "
so klein mit Hut." Seraphin schluckte heftig
als er in die funkelnden Augen seines Lehrmeisters sah. Doch um absolut
sicher zu gehen, eine spannende Lehrstunde im angewandten Stabkampf
zu erhalten, fehlte noch Etwas. Etwas das Seraphin schon lange nicht
mehr getan hatte, sehr lange sogar und auf das er sich in diesem Moment
wie ein kleiner Junge freute. Langsam näherte er sein Gesicht dem
des Priesters bis ein unaufmerksamer Beobachter sie schon fast für
ein liebäugelndes Pärchen halten könnte, aber eben nur
fast. Angespannt sammelte der Schüler seine ganze Kraft für
den ersten Block der im nächsten Moment unweigerlich gebraucht
werden würde, bevor er seinem Lehrmeister allen Ernstes die Zunge
rausstreckte.
"BÄÄÄH!"
HoraXeduS
ie
Zunge Seraphins. Hätte sich Horaxedus berufen gefühlt, ein
Lehrbuch über Stabkampf zu schreiben, oder vielleicht auch einfach
eines über die Heilung schwerwiegender Krankheiten, er hätte
wohl gut eines der darin befindlichen Kapitel damit benennen können.
Doch der Schwarzmagier fühlte sich nicht berufen. Jedenfalls im
Moment nicht.
Der Schüler des Stabmeisters war eben im Begriff, sich einen Schritt
zurückzubewegen und seine Waffe vor sich zu positionieren. Den
Stab locker in beiden Händen wiegend stand er da und war dabei
offenbar überzeugt, dass er Horaxedus Paroli bieten konnte. Der
Lehrer allerdings hatte nicht wirklich ein Auge dafür. Es gab einiges,
was er Seraphin gerne zeigen wollte -und das war jedenfalls nicht seine
Zunge.
Der Glasmacher schaute seinen kampfbereiten Schüler mit entspannter
Miene an. Die kleine Provokation war offenbar an ihm abgeprallt. Horaxedus
packte seinen Kampfstab, beugte sich vor und legte das Holz vor sich
auf den Boden. Dann trat er einen Schritt zur Seite und betrachtete
seine Waffe anschließend aus allen Richtungen. Seraphin schaute
ihm zu und blickte ebenfalls auf den schlichten Stab, der da am Boden
lag. Nun ging sein Lehrer wieder in die entgegengesetzte Richtung und
stand nun am anderen Ende des Stabes. Hier baute er sich auf und verschränkte
die Arme, während er zu Seraphin hinüberlachte. "Komm,
hau mich, du Hutkämpfer, los hau mich." Der Angesprochene
hatte sich den Kampf etwas weniger einseitig vorgestellt, aber wenn
er schon seinen Stab gegen seinen Lehrer richten sollte, wollte er ruhig
gehorchen. Er machte einen Schritt auf Horaxedus zu und machte mit seiner
Waffe eine leichte Ausholbewegung nach rechts.
Der Stabkampfmeister machte sich nicht die Mühe, die Arme vor
der Brust auseinander zuziehen. Er trat einen kleinen Schritt auf den
linken Fuß zurück und ließ gleich darauf das rechte
Bein nach vorne fliegen: Die Folge war ein Schuss des am Boden liegenden
Kampfstabes in Längsrichtung - mit erheblichem Schwung schlug das
Geschoss an Seraphins Schienbein ein. Ein Aufschrei und der überraschte
Schüler knickte zusammen und landete auf den Knien. Mit einem Satz
stand Horaxedus vor ihm und hatte bereits wieder seinen Stab in der
Hand. Als Seraphin hinaufschaute, sah er zunächst mal nichts weiter
als die hämisch zwischen schmalen Lippen hervorgepresste Zunge
seines Lehrers.
Was dann folgte, war genau das, was Horaxedus sich erhofft hatte. Mit
dem gehörigen Ernst, geboren aus Wut und verletzter Eitelkeit,
sprang Seraphin auf und schien den Schmerz in seinem Bein zu ignorieren.
In einer kreisenden Bewegung ließ er das Ende seiner Waffe auf
die Flanke seines Lehrers zufliegen, der seinerseits die Waffe zur Abwehr
hochbrachte. Doch der Hutträger hatte eine Kombination in petto,
die mit gehöriger Geschwindigkeit vorgetragen wurde. Einem kurzen
Schlag auf die Schulter des Glasmachers, der aufgrund fehlenden Schwunges
gar nicht erst pariert wurde, folgte unverhofft ein Stoß mit dem
anderen Stabende zum Schienbein des Lehrers, der sich gerade noch aus
der Stoßrichtung drehen konnte. "Guter Versuch", lächelte
er und setzte seinerseits zu einer Schlagkombination an.
Horaxedus gab sich ernsthaft Mühe, seine versiertesten Schläge
in das Ziel namens Seraphin zu bringen. Es hatte keinen Sinn, den Schüler
zu schonen, sein nächster Gegner täte dies sicher auch nicht,
wer auch immer das sein würde. Und so prasselte ein reines Schlaggewitter
auf Seraphin ein, dem er sich so gut er konnte, widersetzte. Und er
konnte es verblüffend gut. Einige Treffer kamen bis zum Körper
durch, doch interessanterweise schien Seraphin sich die Kombinationen
des Lehrers nun lange genug angesehen zu haben, denn was der Schüler
jetzt tat, hatte mit Defensive kaum mehr etwas zu tun. Stattdessen kam
ihm das, was von Seiten des Behüteten nun folgen sollte, irgendwie
erschreckend bekannt vor.
Seraphin
eraphin
duckte sich verzweifelt unter den Schlägen seines Lehrmeisters
hinweg und versuchte zumindest einen Großteil davon ansatzweise
zu blocken. Die Chance, selber anzugreifen bekam er allerdings nur selten,
Horaxedus war schnell wie ein tollwütiger Snapper aber garantiert
nicht so dumm. Die Hiebe prasselten nur so auf den Stabkampfschüler
nieder und er hatte Mühe sich nicht allzu oft treffen zu lassen.
Doch er hatte dazugelernt, das merkte er plötzlich. Zwar gab er
immer noch eine Recht schlechte Figur gegenüber seinem Lehrmeister
ab doch hielt er sich seiner Meinung nach ganz passabel in dem Sturm
aus herumwirbelnden Kampfstabspitzen, welcher um ihn herum wütete.
Trotzdem, da musste doch mehr drinsitzen, wenigstens einmal wollte er
Horaxedus zurückdrängen und sich nicht selbst immerzu in die
Defensive treiben lassen. Und noch während er diesen Gedanken dachte
bot sich ihm die gewünschte Chance. Der Priester holte gerade zu
einem gewaltigen Schlag auf den Hut seines Gegners aus und entblößte
damit zwangsläufig einen Großteil seiner Deckung. Anstatt
den Schlag wie schon die ganze Zeit über zu blocken, wich Seraphin
soweit wie es möglich war aus und nahm es hin dass das Langholz
auf seine Schulter krachte. Denn im Gegenzug hatte er jetzt endlich
die Möglichkeit Horaxedus aus der Fassung zu bringen. Mit seinem
Schlag hatte der Priester seine Hüfte ungeschützt gelassen
und damit einen der Punkte der ihm wirklich gefährlich werden konnte.
Mit einem triumphierenden Aufschrei ließ Seraphin seinen Stab
direkt auf die Stelle des Oberschenkels niedersausen an der jeder Mensch
sehr empfindlich reagierte, wenn er dort getroffen wurde.
Nur zu gut konnte Seraphin sich daran erinnern wie unangenehm es war,
ein Eisbein zu bekommen und welche Wirkung ein solches nach sich trug.
Sein Lehrmeister bemerkte zwar, was er vorhatte und versuchte noch seinen
eigenen Stab herumzureißen, doch es war zu spät. Allerdings
knickte Horaxedus nicht so ein, wie Seraphin es beabsichtigt hatte.
Er musste nicht richtig getroffen haben, denn der Priester wankte zwar
aber hielt sich immer noch, wenn auch das eine Bein merklich zitterte.
Doch Seraphin ärgerte sich nicht lange darüber, sondern begann,
seine einzige Chance zu nutzen und sich den erkämpften Vorteil
damit schmackhaft zu machen in dem er eine Schlagfolge nach der anderen
auf seinen, in diesem Moment nicht mehr ganz so beweglichen Lehrmeister
niederfahren ließ. Dieser wehrte sich zwar verbissen aber musste
es hinnehmen, jetzt seinerseits keinen vernünftigen Angriff starten
zu können und sich in der Defensive zu befinden. Schlag auf Schlag
ließ Seraphin auf den Priester kommen doch dieser wehrte seine
Angriffe ohne all zu große Probleme ab. Wütend steigerte
Seraphin die Kraft seiner Schläge, wurde dabei aber immer ungenauer.
Schließlich kam es wie es kommen musste.
Mit einer unglaublich schnellen Reaktion schlug Horaxedus den niedersausenden
Kampfstab seines Schülers noch in der Bewegung beiseite und setzte
mit einem präzisen Schlag auf dessen Brustkorb nach. Und er traf
genau den Punkt, mit dem man durchaus in der Lage war einen Kämpfer
für mehrere Sekunden schachmatt zu setzen. Seraphin taumelte keuchend
zurück und krümmte sich, während er verzweifelt nach
Luft rang und sich den Bauch hielt. Diese Zeitspanne langte seinem Lehrmeister
alle mal um zu einem gewaltigen Hieb auszuholen den er direkt auf den
offen daliegenden Nacken seines Gegners richtete, welcher die Gefahr
zwar bemerkte aber unfähig war sie abzuwenden. Kurz bevor das massive
Holz die Halswirbel des Hutträgers zermalmt hätte brachte
Horaxedus seinen Stab zum Stehen und betrachtete mit schwer zu deutender
Miene den vor ihm kauernden Schwarzmagier. Seraphin wusste, wann er
besiegt war und mit ein wenig trotziger Miene sah er zu seinem Lehrmeister
hoch. Einen Moment herrschte Stille, nur durchbrochen von dem Rauschen
der Esche und dem schnellen Atmen der beiden Kontrahenten. Dann zog
Horaxedus seinen Stab langsam zurück, bevor er schließlich
das Wort an seinen Schüler richtete.
"Merk dir die Stelle wo's wehtut und mach es das nächste
Mal besser", entgegnete der Priester fest. Seraphin erhob sich
vorsichtig während er mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Brust
betastete. Horaxedus guckte ihn prüfend an, bevor er fortfuhr.
"Nun, wie du siehst hatte ich den Mumm mich dir zu stellen. Und
ich habe dich besiegt. Trotzdem, du hast dich verbessert. Deine Blöcke
sind schon sehr gut aber deine Angriffe musst du noch trainieren. Lerne
präziser zu werden und deine Schnelligkeit zu steigern. Beim nächsten
Mal will ich das du es mir nicht so leicht machst, verstanden?"
Seraphin biss die Zähne zusammen und nickte stumm. "Gut, dann
schlage ich vor das du dich erst mal ausruhst, immerhin hattest du gestern
noch einen Bolzen in deiner Schulter sitzen. Der Kampf hat mich durstig
gemacht, ich werde mich wohl noch mal ins Refektorium aufmachen. Gute
Nacht wünsche ich."
Mit diesen Worten drehte sich der Priester um und verschwand mit ruhigen
Schritten in Richtung des großen Speisesaals im Kastell. "Gute
Nacht!", rief Seraphin und guckte seinem Lehrmeister noch solange
hinterher, bis dieser irgendwo hinter den Arkadengängen verschwunden
war. Dann packte er seinen Stab und begab grübelnd in den ersten
Stock.
Immerhin, sein erster wirklicher Kampf mit dem Stab hatte zumindest
Spaß gemacht und ihm gezeigt, was er noch verbessern musste. Jetzt
lag es nur an ihm, dafür Sorge zu tragen, dass genau das geschah
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